Kärntner Urteile: Expertenkritik am Richter

Die gestrigen Urteile im Kärntner Birnbacher-Prozess sind nach Ansicht mancher Experten zu streng ausgefallen. Während die Ansichten über die fünfeinhalb Jahre für Martinz noch auseinander gehen, sind renommierte Strafrechtler einig, dass die unbedingten Urteile für die Manager zu hart sind.

Mittagsjournal, 2.10.2012

"Vier Jahre wären genug"

Richter Manfred Herrnhofer hat gestern das Urteil seines Schöffensenats im Birnbacher-Prozess verkündet und begründet. Nun bekommt er quasi Noten dafür von renommierten Uni-Professoren. Kritik kommt vom Innsbrucker Strafrechtler Klaus Schwaighofer, was die fünfeinhalbjährige unbedingte Haftstrafe für Ex-VP-Chef Josef Martinz betrifft: "Das scheint mir außerordentlich hoch. Vier Jahre Freiheitsstrafe wäre das höchste der Gefühle, was ich als angemessen bezeichnen würde für einen unbescholtenen Mann mit ordentlichem Lebenswandel." In Innsbruck wäre das Urteil nicht so hoch ausgefallen, glaubt Schwaighofer.

"Durchaus angemessen"

Der Linzer Strafrechtsexperte Alois Pirklbauer hingegen hält fünf Jahre für angemessen - wegen des hohen Schadens von fast sechs Millionen Euro. Denn laut Strafgesetzbuch wäre schon ab einem Schaden von 50.000 Euro eine zehnjährige Haftstrafe denkbar. Somit liege das Urteil ohnehin nur bei der Hälfte des Möglichen, rechnet Pirklbauer vor. Und das könne man durchaus als angemessen sehen.

Milderungsgründe für Manager

Skeptisch sehen die beiden Strafrechtler auch die unbedingten Haftstrafen von drei bzw. zwei Jahren für die beiden Vorstände der Landesholding. Klaus Schwaighofer sieht den "massiven Milderungsgrund, dass die beiden Herren unter dem massiven Druck von Haider und Martinz gestanden sind und fast marionettenhaft ihre Anordnungen umgesetzt haben." Für einen vom Richter beabsichtigten Warnschuss wäre auch eine teilbedingte Haftstrafe ausreichend gewesen, abgesehen vom monatelangen Prozess in der Öffentlichkeit, der auch Präventionswirkung habe, meint Schwaighofer.

Und Alois Pirklbauer kritisiert einen Teil der Urteilsbegründung des Richters, dass es sich um hochkarätige Manager handle und man deswegen keine bedingte Strafe verhängen könne. Das klinge nach "Spezialstrafrecht für Manager", was vom Gesetz nicht gedeckt sei.

Fußfessel für Birnbacher?

Den Steuerberater Dietrich Birnbacher, der als einziger eine teilbedingte Haftstrafe ausgefasst hat, sehen beide Experten als klassischen Kandidaten für eine Elektronische Fußfessel, mit der er das eine Jahr bedingter Haft im elektronisch überwachten Hausarrest verbringen könnte.

OGH entscheidet

Letztlich wird der Oberste Gerichtshof entscheiden, ob die Urteile von Richter Manfred Herrnhofer halten. Staatsanwalt und Verteidiger haben ja Nichtigkeitsbeschweren angemeldet. Und eines wird man diesem Richter kaum absprechen können: Dass er durch seine Prozessführung dazu beigetragen hat, dass während des Prozesses Vieles ans Tageslicht gekommen ist in puncto Parteispenden, was bis dahin nicht bekannt war.