Türkei: Grünes Licht für Interventionen in Syrien

Einen Tag nach dem tödlichen Granatenangriff auf ein türkisches Dorf hat das Parlament in Ankara grünes Licht für mögliche Militäreinsätze im Nachbarland Syrien gegeben. Ab jetzt können türkische Soldaten Militäroperationen auch jenseits der Grenze in Syrien durchführen. Das bedeute aber keineswegs Krieg, sagen die türkischen Politiker.

Abendjournal, 4.10.2012

Schnellverfahren im Parlament

Gegen Stimmen aus der Opposition billigten die Abgeordneten mehrheitlich einen Antrag der Regierung, der für ein Jahr Einsätze auch über die Grenze hinweg erlaubt, berichteten türkische Fernsehsender am Donnerstag aus Ankara. Die Regierung hatte die Vorlage für das Mandat im Schnellverfahren ins Parlament eingebracht, nachdem am Mittwoch eine Türkin und ihre vier Kinder bei syrischem Artilleriebeschuss auf die türkische Grenzstadt Akcakale ums Leben kamen. Bei türkischen Vergeltungsangriffen nahe der syrischen Stadt Tell Abyad, die rund zehn Kilometer von der gemeinsamen Grenze entfernt liegt, starben nach Informationen des arabischen Nachrichtensenders Al-Jazeera insgesamt 34 Menschen. Der Sender berief sich auf syrische Quellen.

Die Türkei griff zwar auch am Donnerstag wieder Ziele in Syrien an, will aber nach Angaben eines ranghohen Erdogan-Beraters keinen Krieg mit dem Nachbarland beginnen.

Tränengas gegen Demonstranten

Oppositionspolitiker hatten vor der Abstimmung kritisiert, die Vollmacht an Regierung und Armee sei zu weitgehend. Erdogan legte den Abgeordneten einen Antrag vor, der für die Dauer von einem Jahr grenzüberschreitende Einsätze in dem Bürgerkriegsland erlaubt. Sie war ursprünglich erteilt worden, um gegen Stützpunkte militanter Kurden im Norden des Irak vorzugehen. In Ankara ging die Polizei mit Tränengas gegen Demonstranten vor, die vor dem Parlament gegen einen Militäreinsatz in Syrien protestierten.

Internationale Kritik

Zahlreiche internationale Politiker verurteilten den syrischen Angriff auf türkisches Territorium am Donnerstag scharf. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton rief Syrien auf, die Gewalt zu beenden sowie die Souveränität und territoriale Integrität der Nachbarländer zu respektieren. Frankreichs Außenminister Laurent Fabius erklärte, er hoffe, dass der UN-Sicherheitsrat die syrische Regierung deutlich verurteile. Sein britischer Kollege Hague sagte, die militärische Reaktion der Türkei sei verständlich. "Wir erklären unsere tiefe Solidarität mit der Türkei, aber wir wollen keine weitere Eskalation dieses Vorfalles." Die syrische Regierung müsse sicherstellen, dass sich solche Zwischenfälle nicht wiederholten.

Auch Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) kritisierte den Angriff und forderte eine Entschuldigung von Damaskus, rief aber auch beide Länder zur Besonnenheit auf. Frankreich forderte eine rasche und scharfe Verurteilung des syrischen Angriffes durch den UN-Sicherheitsrat.

Zugleich stellte sich die NATO am späten Mittwochabend in einer auf Wunsch der Türkei einberufenen Dringlichkeitssitzung hinter den Mitgliedsstaat. Das Militärbündnis forderte Syrien auf, den "abscheulichen Bruch internationalen Rechtes" zu beenden. Auch andere Staaten versicherten die Türkei ihrer Solidarität.

Entschuldigung nach Aufforderung Moskaus

Syrien hat sich nach Angaben des türkischen Vize-Ministerpräsidenten für den Beschuss am Mittwoch entschuldigt. "Die syrische Seite hat eingestanden, was sie getan hat, und sich dafür entschuldigt", sagte der stellvertretende Regierungschef Besir Atalay am Donnerstag vor Journalisten in Ankara.

Zuvor hatte auch Russland, das zu den letzten Verbündeten des syrischen Machthabers Bashar Al-Assad gehört, Damaskus zu einer öffentlichen Entschuldigung aufgefordert. (Text: APA, Red.)

Übersicht

  • Naher Osten