Spirale der Gewalt im Gaza-Streifen

Israel bombardiert die Zentrale der Hamas-Regierung, das israelische Militär mobilisiert 75.000 Reservisten. Steuert der Konflikt auf einen Krieg zu?

Mittagsjournal, 17.11.2012

Israelische Angriffe auf 200 Ziele

Explosionen bei Rafah im Süden des Gasastreifens an der ägyptischen Grenze – die israelische Luftwaffe hat dort in der Nacht rund 20 Tunnels bombardiert, durch die vermutlich auch Waffen geschmuggelt werden. Auch am 4. Tag von Israels "Operation Wolkensäule" zählt man weiter, nämlich die israelischen Lufteinsätze und die Raketen, die die Hamas und die anderen radikalen Palästinensergruppen auf Israel abfeuern. Die Israelis haben nach eigenen Angaben in der letzten Nacht rund 200 Ziele im Gasastreifen angegriffen, darunter, wie es heißt, auch Symbole des Hamas-Regimes. So wurde das Hauptquartier des Hamas-Premiers Ismail Hanye zerstört, ebenso eine Polizeizentrale. Außerdem sollen 120 zum Teil eingegrabene Raketenwerfer getroffen worden sein.

Erstmals Raketen auf Jerusalem

Die Palästinenser melden heute acht Tote, die meisten von ihnen dürften bewaffnete Kämpfer gewesen sein – insgesamt sind seit dem Beginn der israelischen Offensive etwa 35 Palästinenser getötet worden. Auf der israelischen Seite gibt es seit den frühen Morgenstunden wieder fast im Minutentakt Raketenalarm, betroffen sind fast alle Städte und Dörfer in einer Entfernung von bis zu 40 Kilometern vom Gasastreifen. Gestern Abend heulten die Sirenen auch erstmals in Jerusalem, und davor zwei Mal in Tel Aviv – doch das sieht man vorläufig als Einzelfälle, die beiden Metropolen im Herzen des Landes gelten nicht als wirklich gefährdet. Trotzdem wird jetzt eilig eine fünfte Batterie des Abwehrsystems "Goldene Kuppel" aufgestellt, sie soll den Großraum von Tel Aviv schützen. Der "Goldenen Kuppel" ist es wohl zu verdanken, dass es in Israel nicht viel größere Opferzahlen und Schäden gibt, was wohl zu einer noch schlimmeren Eskalation geführt hätte. Die Palästinenser haben in den letzten vier Tagen an die 600 Raketen auf Israel abgefeuert – das israelische System kann erkennen, welche der Raketen bewohntes Gebiet treffen würden, und fängt diese mit einer Erfolgsquote von mehr als 80 Prozent schon in der Luft ab.

Solidaritätsbesuche im Gaza-Streifen

Weiterhin heißt es, dass Israel seine Operation ausweiten könnte – damit können noch intensivere Luftangriffe gemeint sein oder aber gar eine Bodeninvasion. Gestern Nacht hat die Regierung grünes Licht für die Mobilisierung von bis zu 75.000 Reservesoldaten gegeben. "Ich bin froh zu sehen, dass ihr so zahlreich und mit so viel Entschlossenheit gekommen seid", begrüßt ein Offizier seine Leute, "ihr habt eure Familien und eure Arbeit verlassen, weil jeder versteht, dass es ein Kampf ums eigene Haus ist."

In Gaza gibt es heute einen weiteren politischen Solidaritätsbesuch. Nach dem ägyptischen Premierminister ist heute der tunesische Außenminister gekommen – er sprach von einer israelischen "Aggression". Aber für nächste Woche ist ein wichtigerer Gast in der Region angesagt, UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon. Dieser Besuch könnte der erste konkrete Schritt in die Richtung eines Waffenstillstands werden.

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