Auftakt im Strasser-Prozess
Ex-Innenminister und EU-Abgeordneter Ernst Strasser ist bei seiner Verantwortung geblieben, zwei als Lobbyisten an ihn herangetretene britische Journalisten für Geheimdienst-Agenten gehalten zu haben. Ihm sei klar gewesen, das seien Gauner und nicht das, was sie vorgegeben hätten. Er wollte nur "draufkommen, wo die herkommen", sagte Strasser in Wien beim Prozess-Auftakt wegen Bestechlichkeit.
8. April 2017, 21:58
Abendjournal, 26.11.2012
Ernst Strasser, früherer Innenminister und später dann Europa-Abgeordneter der ÖVP, steht seit heute in Wien vor Gericht. Er ist angeklagt, weil er die Bereitschaft gezeigt habe, sich bestechen zu lassen; so sieht es die Staatsanwältin. Sie beruft sich auf das inzwischen sehr bekannte Video, das Strasser im Gespräch mit zwei britischen Journalisten zeigt, getarnt als Lobbyisten. Strasser ist heute am ersten Prozesstag einvernommen worden. Er ist seiner Linie treu geblieben, die er schon in diversen Interviews verfolgt hat: er habe die Briten für Agenten gehalten und sie überführen wollen.
Verfassungsschutz nicht getraut
Eine Stellungnahme für die zahlreich erschienen Medienleute am Wiener Landesgericht gibt es heute von Ex-Innenminister Ernst Strasser nicht. Wortlos erscheint der Minister im Großen Schwurgerichtssaal und wortlos geht er auch wieder. Nur sein Anwalt Thomas Kralik teilt mit: man sage nichts.
Vor Gericht redet Strasser dafür umso mehr. Ausführlich nimmt ihn Richter Georg Olschak in die Mangel und hinterfragt die Verantwortung des Ex-Politikers: Nämlich dass er Strasser, im Alleingang mutmaßliche US-Geheimagenten aufdecken wollte. Warum hat Strasser niemanden von seinem Verdacht informiert? Warum hat er beiden Undercover-Journalisten trotzdem fast ein Jahr lang getroffen, fragt Richter Georg Olschak? Ich wollte Beweise sammeln, verteidigt sich Strasser. Dem österreichischen Verfassungsschutz habe er nicht getraut. Der habe ihn schon 2002 als Innenminister abblitzen lassen, als sich Strasser vom russischen Geheimdienst verfolgt fühlte. "Die hätten mich ausgelacht, die wollen einen pfannenfertigen Fall, die Herren vom Verfassungsschutz, sagt Strasser. Er betont dass nie Geld geflossen sei.
Eine Vertragsunterzeichnung mit den Lobbyisten habe nie unterschrieben um Zeit zu gewinnen. Aber den Vertrag haben sie von einem Rechtsanwalt Prüfen und verändern lassen, kontert Richter Olschak. Belastende Aussagen aus den Videoaufzeichnungen der Gespräche mit den Undercover Journalisten will Strasser nicht gelten lassen. Übersetzungsfehler, sagt der Ex-Innenminister. Bei seinem Ausspruch: "the good people in the Parliament" seien nicht "die Gutmenschen im Parlament" gemeint gewesen, sondern "die guten Leute im Parlament".
"...alle lügen sich an"
Als erster Zeuge sagte heute per Videokonferenz der deutsche CDU-Europaparlamentarier Karl-Heinz Florenz aus. Strasser hatte am Video geprahlt, ausführlich mit Florenz über eine von den Undercover-Journalisten entworfene Abänderung eines Gesetzes gesprochen zu haben. Florenz weist das energisch zurück wies der CDU-Politiker: Herr Strasser hat eine blühende Phantasie" so Florenz. Nach einem kurzen Gespräch auf dem Gang habe ihm Strasser den Abänderungsantrag gemailt. Dieser hätte aber nicht der Meinung des Ausschusses entsprochen, sagt Florenz. Auch Strasser gibt an, keineswegs ausführlich mit seinem Europaparlamentskollegen gesprochen zu haben. Seine Angaben am Video der Journalisten erklärt Strasser so: Wissen sie, da sitzen drei Leute und alle lügen sich an". Der Prozess wird morgen mit einer Vorführung der Videoaufnahmen fortgesetzt.