Weihnachten im Heiligen Land

Tausende Christen aus aller Welt haben sich zu Beginn der Weihnachtsfeierlichkeiten im Heiligen Land versammelt. In Jerusalem bricht zu Mittag die traditionelle Prozession nach Bethlehem auf. Nach christlicher Überlieferung ist Jesus Christus in der Grotte geboren worden, die sich unter dem Altar der Kirche aus dem 6. Jahrhundert befindet.

Mittagsjournal, 24.12.2012

Palästinenser feiern Geburt ihres Staates

Auf dem Markt in der Altstadt von Bethlehem sieht man in den Spielzeug-, Schmuck- und Mobiltelefongeschäften viele Waren, aber wenig Kunden, die Weihnachtslieder aus den Lautsprechern klingen in europäischen Ohren vertraut und zugleich irgendwie verfremdet – dieses Weihnachtsfest ist ein Besonderes, sagt Vera Baboun in ihrem Büro im Rathaus: "In Bethlehem tun wir jedes Jahr unser Bestes, damit es fröhliche Weihnachten gibt, und speziell dieses Jahr feiern wir die Geburt unseres Herrn Jesus und die Geburt unseres Nationalstaats."

Gemeint ist damit natürlich der diplomatisch umkämpfte UNO-Beschluss im November, durch den Palästina zu einem Beobachterstaat aufgewertet wurde. Und eine Besonderheit ist es auch, dass die Bürger von Bethlehem erstmals unter einem weiblichen Stadtoberhaupt Weihnachten feiern. Die katholische Christin Vera Baboun ist erst im Oktober zur Bürgermeisterin gewählt worden, sie ist eine Universitätslektorin für englische Literatur, verwitwete Mutter von fünf Kindern und steht der Fatah-Bewegung nahe. Die islamistische Hamas, die zuvor im Gemeinderat dominant war, hatte die Kommunalwahlen im Westjordanland boykottiert. Der neue politische Status in der UNO hat bei den Palästinensern zwar positive Emotionen ausgelöst, sagt Baboun, die praktische Auswirkung war bisher aber eher negativ: "Es gibt Sanktionen von Israel wegen dieser Entscheidung, unser Geld wird von den Israelis nicht freigegeben, und deshalb bekommen viele unserer Gemeindeangestellten auch zu Weihnachten ihre Gehälter nicht."

Kaum Besucher aus Europa und den USA

Auf den Touristenpfaden gibt es Bewegung – Pilgergruppen stimmen Gesänge an. Naomi Mkadule aus Südafrika kommt soeben mit ihrem Mann aus der Geburtskirche und ist begeistert: "Wir glauben wirklich, dass Jesus Christus hier geboren wurde, und wir sind glücklich, hier zu sein, weil wir glauben, dass Weihnachten hier ist." Unten in der Geburtsgrotte weist die Reiseführerin Larissa eine Gruppe von Russen ein, die vom Urlaub in Ägypten zu einer Blitztour durchs Heilige Land angereist sind. "Sie gehen nach Jerusalem, Grabeskirche, Klagemauer, und diese Kirche, und dann hinunter zum Toten Meer – in einem Tag", erzählt Larissa.

Auf dem Krippenplatz werden gut 30 Philippininnen zu einem Gruppenfoto geschlichtet. Doch das sind keine eigentlichen Touristinnen, sondern Gastarbeiterinnen, die aus Israel herübergekommen sind. Es fällt auf, dass man fast nur Gruppen aus Russland, aus Afrika und aus Fernostländern sieht, sie geben hier nicht viel Geld aus. Die Europäer und Amerikaner scheinen wegzubleiben. Es gibt eine Nachwirkung der kriegerischen Konfrontation um den Gazastreifen vor einem Monat, sagt Eyal Karlin vom israelischen Tourismusministerium: "Wir haben Absagen gehabt, etwa 15 bis 20 Prozent der Buchungen, manche kommen jetzt zurück. Wir haben jetzt eine gemeinsame Anstrengung von allen, von den Kirchen und vom israelischen und palästinensischen Fremdenverkehrsgewerbe, die Menschen wieder herzubringen."

Gute Lage der Christen

Im Westjordanland selbst ist es jetzt schon seit einigen Jahren relativ ruhig – und das hat dazu geführt, dass die Abwanderung der palästinensischen Christen anscheinend aufgehört hat, sagt Pierbattista Pizzaballa, der franziskanische Kustos des Heiligen Landes: "Die Lage der Christen hier ist absolut viel besser als in jedem anderen Land im Nahen Osten – schauen Sie, was in Ägypten passiert, ganz zu schweigen von Syrien – das ist offensichtlich."

Und Bürgermeisterin Vera Baboun hat eine Weihnachtsbotschaft: "Von der Wiege der Botschaft von Hoffnung und Liebe, aus der Stadt Bethlehem sage ich allen Österreichern: Frohe Weihnachten, ein glückliches Neues Jahr. Diese Botschaft von Friede und Liebe und Hoffnung wird Ihnen und Ihren Familien alles bringen, was Sie brauchen."

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