China: Debatte um Pressefreiheit geht weiter

In China haben Journalisten einer als liberal bekannten Zeitung - erstmals öffentlich - den kommunistischen Behörden vorgeworfen, einen Leitartikel umgeschrieben und gegen den Willen der Redakteure veröffentlicht zu haben. Proteste vor dem Zeitungsgebäude waren die Folge. Beide Seiten haben sich mittlerweile offenbar auf einen Kompromiss geeinigt. Aber die Debatte über Pressefreiheit in China geht weiter.

Ungewöhnlich öffentlich für China

Dai Zigeng soll lautstark getobt und seinen Rücktritt angekündigt haben. Der Herausgeber der Beijing News, einer Tageszeitung in Chinas Hauptstadt, hatte sich geweigert einen von der Zentralen Propagandabehörde geforderten Schmähartikel gegen die Journalisten einer südchinesischen Wochenzeitung zu veröffentlichen. Der Artikel erschien heute trotzdem. Blogger posten im Internet Fotos von wütenden Mitarbeitern der Zeitung. Ähnliches soll sich heute in mehreren Redaktionen Chinas abgespielt haben, die den Propaganda-Kommentar ebenfalls abdrucken mussten. Das Ziel: Die Mitarbeiter der Wochenzeitung Nanfeng Zhoumo sollen verunglimpft, ihr Aufstehen gegen die immer aggressivere Zensur als vom Ausland gesteuert dargestellt werden.

Mutige Journalisten prangern Zensurwahn an

Auslöser des Konflikts bei der für ihren mutigen und für chinesische Maßstäbe recht kritischen Journalismus bekannten Wochenzeitung war ein Leitartikel zu Jahresbeginn, der zu politischen Reformen und mehr Rechtsstaatlichkeit aufgerufen hatte. Und den die Zensoren zu einem Jubelbeitrag über die Erfolge der Kommunistischen Partei umgeschrieben haben. Und zwar nachdem die Journalisten der Zeitung bereits nachhause gegangen waren. Was sie am nächsten Tag in ihrer Zeitung vorfanden war zu viel. Nach angeblich mehr als eintausend Zensureingriffen bei der Zeitung in nur zwölf Monaten, wollten die Journalisten nicht mehr stillhalten und den Zensurwahn der lokalen Behörden anprangern.

Und bekommen Unterstützung aus der Bevölkerung

Tage lang bekommen sie Unterstützung von hunderten meist jungen Menschen, die vor dem Zeitungsgebäude in der südchinesischen Millionenstadt Guangzhou auf die Straße gehen. "Warum müssen wir uns schuldig fühlen für das was wir sagen? Warum werden wir dafür bestraft oder gar ins Arbeitslager gesteckt?"
Die jungen Menschen sind mutig. Doch obwohl manche vor dem Zeitungsgebäude gar offen ein Ende der kommunistischen Diktatur fordern greift die Polizei erst ein als es zu Handgemengen kommt: zwischen Unterstützern der Zeitung und regierungsfreundlichen Gegendemonstranten.

Fauler Kompromiss?

Mittlerweile hat sich der Parteichef der Provinz eingeschaltet und sich mit den Journalisten offenbar auf einen Kompromiss geeinigt. Die nächste Ausgabe der Zeitung erscheint ganz normal, die Streikenden werden nicht bestraft und die Zensoren sollen sich künftig etwas mehr zurückhalten. Mehr ist kaum zu erfahren, weil man den Mitarbeitern der Zeitung gegenüber ausländischen Medien Sprechverbot erteilt hat. Kritiker meinen, dass von echten Konzessionen keine Rede sein kann. Weil sich am System der Zensur nichts ändert und kritische Journalisten der Zeitung vielleicht einfach zu einem späteren Zeitpunkt entfernt werden.

Der Konflikt ist jedenfalls die erste größere Herausforderung für Chinas neue Führer. KP-Chef Xi Jinping hatte jüngst mehrmals auch politische Reformen versprochen. Sollte er es ernst meinen, müsste er wohl auch den Zensoren endlich Zügel anlegen. Wenig deutet darauf hin, dass er dazu wirklich bereit ist.

Mittagsjournal, 9.1.2013