Länderfinanzen: Experten fordern neue Regeln

Angesichts dessen, was sich derzeit in Österreichs Bundesländern buchhaltungsmäßig abspielt, dreht sich Benedetto Cotrugli wohl im Grabe um. Der venezianische Kaufmann erfand im 15. Jahrhundert die sogenannte doppelte Buchführung. Die Bundesländer bedienen sich allerdings der viel weniger aussagekräftigen Einnahmen-Ausgaben-Rechnung für das jeweilige Jahr. Experten fordern neue Bilanzierungsregeln.

Mittagsjournal, 12.1.2013

Sechs Definitionen von "Schuld"

Seit Wochen wird in Salzburg fieberhaft nach Zahlen gesucht. Nach dem Auffliegen des Skandals muss die Finanzlage des Landes nun neu bewertet werden, um überhaupt ein Budget beschließen zu können. Der Bericht soll kommende Woche im Landtag präsentiert werden.

Die wirklichkeitsnahe Darstellung der finanziellen Situation und Transparenz sind keineswegs nur in Salzburg Thema. In den bisher vom Rechnungshof geprüften Bundesländern Tirol, Kärnten und Niederösterreich fanden die Prüfer insgesamt sechs verschiedene Definitionen von "Schuld".

Mindeststandards lassen Ländern viel Freiraum

Der Rechnungshof macht nun Druck, dass mit dem neuen Spekulationsverbot auch neue Bilanzierungsregeln kommen müssen. Vorbild könnte das moderne Bundeshaushaltsrecht sein, sagen Budgetexperten.

Länder und Gemeinden bilanzieren nämlich seit hunderten Jahren nach einer einfachen Einnahmen-Ausgaben-Rechnung. In der Buchhaltung der Bundesländer gibt es auch keine einheitliche Darstellung von Vermögen und Schulden. Was es gibt, sind Mindeststandards in Form einer Verordnung. Doch diese lässt den Ländern sehr viel Freiraum zur Gestaltung.

Experte: "Doppelte Buchführung hat Vorteile"

Der Bund legt auch erst seit wenigen Tagen eine Art abgespeckte "Konzernbilanz" nach dem Prinzip der doppelten Buchführung vor. Genau dies rät Gerhard Lehner, pensionierter Wifo-Budgetexperte dringend auch den Bundesländern.

Man müsse den Ländern vor Augen führen, dass das große Vorteile hat, so Lehner, denn jetzt würde in der Debatte ausschließlich auf die Schulden, die Passivseite, geschaut, und die Aktivseite, also was mit dem aufgenommenen Geld geschieht, bliebe außen vor: "Es kann ja sein, dass jemand Geld für Investitionen aufnimmt. Dann ist dieses Geld zwar seine Schuld, aber es bleibt außer Betracht, dass damit Werte geschaffen werden, Infrastruktur, die für den Standort und die Wohlfahrt notwendig ist."

Keine klaren Regeln für Finanzprodukte

Die Darstellung von Vermögen und Schulden wäre ein erster Schritt, sagt Lehner. Denn derzeit ist es keinesfalls geregelt, wie und ob Wertpapiere bewertet werden. Üblicherweise stehen sie nur mit dem Anschaffungswert im Rechnungsabschluss.

Die Wertentwicklung seit dem Kauf des Papiers bleibt dabei völlig unberücksichtigt. Derivate, also spekulative Finanzprodukte, müssen gar nicht dargestellt werden. Für Kontrolleure wird es da schwierig, denn sie wissen dann natürlich auch nicht wie hoch das Risiko ist.

Experte: "Neues Haushaltsrecht vielleicht zur Jahresmitte"

Das Risiko soll und muss öffentlich gemacht werden, fordert Budgetexperte Lehner, der Steuerzahler soll schließlich sehen, wofür sein Geld ausgegeben wird: "Es ist möglich. Beim Bund, bei den Einkommenssteuererklärungen wird jetzt ein eigenes Blatt beigelegt, wo der Steuerpflichtige sehen kann, wie die Steuermittel verwendet werden. Das ist sicher eine Verbesserung der Transparenz."

Lehner rechnet damit, dass das Bewusstsein der Landeshauptleute steigt. Mit Jahresmitte, wenn das Spekulationsverbot in die Verfassung geschrieben werden soll, könnte auch ein neues Haushaltsrecht ausverhandelt sein, prophezeit der Budgetexperte.