Smog in Peking: Zensur machtlos

Weite Teile Chinas liegen nach wie vor unter einer dicken Smogdecke. Die teilweise gefährlich hohen Werte sind zwar etwas gesunken, doch bleibt die Feinstaubbelastung auch in der chinesischen Hauptstadt Peking bedenklich hoch. Anders als früher haben die Behörden die Gefährlichkeit der giftigen Wolke dieses Mal kaum beschönigt, die Medien berichten offen darüber. Und in der Bevölkerung wird der Unmut über die unerträgliche Luftsituation deutlich größer.

Mittagsjournal, 15.1.2013

Top-Thema der Nachrichten

Atemschutzmasken sind in immer mehr Geschäften ausverkauft, ebenso Luftfilteranlagen für Wohnungen und Büros. In Peking zu atmen wird heute nur mehr als ungesund eingestuft, und nicht mehr als akut gefährlich wie am Wochenende, als die Feinstaubwerte in der chinesischen Hauptstadt auf bisher unvorstellbare Höhen angeschwollen sind. Zeitweise steigen sie auf das Dreißig- bis Vierzigfache dessen, was die Weltgesundheitsorganisation gerade noch als unbedenklich einstuft. In den Medien wird das Thema offen diskutiert. Selbst die Abendnachrichten im staatlichen Fernsehen, die sonst heftig zensuriert werden, machen die Smogbelastung zum Top-Thema.

Schock und Ärger

Und es wird dieses Mal nicht verschwiegen, dass der giftige Luftcocktail offen gesundheitsgefährlich ist. "Jetzt bezahlen wir den Preis für unsere brutale Wirtschaftsentwicklung", ist auf Internetforen zu lesen. Die Menschen sind schockiert: "Es ist wirklich schrecklich. Ich bin wütend. Gesundheit ist schließlich das wichtigste", meint Herr Kang. Die neunjährige Jiang Ziyu klagt unterdessen über rote Hände, Husten und Ausschläge. Sie hat die Symptome seit dem Wochenende, heute hat sie ihre Mutter ins Krankenhaus gebracht. Es sind vor allem Kinder, chronisch Kranke und alte Menschen, deren Gesundheit bedroht ist. Pekings Krankenhäuser berichten über einen sprunghaften Anstieg von Herz- und Kreislauferkrankungen sowie akuten Lungenproblemen.

Kohle und Verkehr

Die Behörden haben zwar die jüngste Smogsituation nicht verschwiegen, aber zu langsam darauf reagiert. Erst spät wurden die Menschen aufgerufen, möglichst zuhause zu bleiben sowie Schulen angewiesen, die Freiluftaktivitäten einzustellen. Dutzende industrielle Dreckschleudern wurden in ihrer Produktion gedrosselt oder vorübergehend stillgelegt, ebenso ein Drittel der Regierungsfahrzeuge in Peking. Doch rollt die Autolawine, die maßgeblich für den Smog verantwortlich gemacht wird, dennoch unbehindert weiter. Fünf Millionen Autos sind auf Pekings Straßen bereits unterwegs, zwei Millionen mehr als noch vor vier Jahren. China verbrennt mittlerweile die Hälfte der weltweit verbrauchten Kohle und stampft ein Kohlekraftwerk nach dem nächsten aus dem Boden. Angesichts dieser Entwicklung greifen Umweltschutzmaßnahmen letztlich oft ins Leere. Und längst sind es nicht mehr nur Umweltschützer, sondern immer mehr ganz normale Bürger aus der städtischen Mittelschicht, die das ungezügelte Wachstum hinterfragen. Vor allem dann wenn es auf Kosten der eigenen Gesundheit geht.