Jelineks "Eurydike" im Akademietheater
Mit Spannung wird die erste große Premiere des neuen Theaterjahres erwartet. Diese findet morgen im Akademietheater statt, wo Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann erstmals einen Text von Elfriede Jelinek inszeniert. "Schatten (Eurydike sagt)" heißt Jelineks jüngster Theatermonolog, in dem die Nobelpreisträgerin den Orpheus-und-Eurydike-Mythos gewohnt wortgewaltig gegen den Strich bürstet.
8. April 2017, 21:58
Im Mythos ist Eurydike ein stummes Objekt der Sehnsucht. Bei Jelinek bekommt sie eine Stimme und wird zur Autorin ihrer Geschichte. Unter großem Beifall las Johanna Wokalek den Jelineks-Monolog bereits vergangenem Juni in der Essener Philharmonie. Die Theaterfassung des Textes wird morgen in Wien uraufgeführt.
Morgenjournal, 16.1.2013
Eurydike ist eine frustrierte Ehefrau. Von ihrem Mann, dem Sänger Orpheus, hat sie genug. Sie ist eine Schriftstellerin, die nicht gehört wird. Für ihren selbstverliebten Künstlergatten, einen Popstar mit Pilotenbrille und Glitzersakko, existiert sie nur als Objekt der Sehnsucht, als Projektionsfläche. Als düstere Prinzessin im schwarzen Tüllrock sitzt sie auf der Bühne, eine Kaufsüchtige, die sich immer neue Hüllen umstülpt. Die Mode wird zum Identitätsersatz.
Als Eurydike von der Schlange gebissen wird und in das Schattenreich des Hades wandert, will sie von Orpheus, der in die Unterwelt steigt, um sie zurückzuholen, nicht gerettet werden. Sie spielt sich endlich frei von der männlichen Fremdbestimmung.
Sieben Eurydikes
Zum ersten Mal inszeniert Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann einen Text von Elfriede Jelinek. Hartmann teilt den Monolog der Eurydike auf sieben Schauspielerinnen auf, um der gewohnt vielstimmig geschichteten Textfläche dramaturgisch Herr zu werden. Jelinek versteht ihre Theatertexte ja als eine Art Steinbruch, in dem sich ein Regisseur nach Lust und Laune bedienen kann. Regieanweisungen, oder die Aufteilung des Textes auf verschiedene Figuren werden von der Autorin in der Regel ausgespart - für Matthias Hartmann eine Herausforderung.
Als mäanderndes Stimmengewirr bringt er Jelineks wortgewaltigen Monolog auf die Bühne. Verkörpert von sieben Darstellerinnen steht Eurydike auf der Bühne, fällt sich selbst ins Wort, widerspricht sich und ringt mit kalauerndem Witz um eine eigene Sprache, denn sie will nicht länger Objekt männlicher Sehnsüchte sein.
In ihrem Theatertext "Schatten (Eurydike sagt)" dekomponiert Elfriede Jelinek den antiken Mythos, indem sie Eurydike zur Autorin ihrer eigenen Geschichte macht. Ein wuchtiges Textgebilde, das mit Wortwitz und Präzision besticht. Aber - wie nicht anders zu erwarten: nichts für Romantiker, denn: Von der großen Liebe, von der der Mythos erzählt, bleibt in dieser Bearbeitung nicht viel übrig.
Service
Ö1 Club-Mitglieder bekommen im Akademietheater ermäßigten Eintritt (zehn Prozent).
Burgtheater - Schatten (Eurydike sagt)