Serbien: Mit Pragmatismus in die EU
Der seit Kurzem in Serbien amtierende Premier, der Sozialist Ivica Dacic und sein nationalkonservativer Koalitionspartner, die Partei SNS, fahren einen sehr pragmatischen Kurs in Richtung Annäherung an die EU. Der SNS-Vorsitzenden Alexander Vucic spricht im ORF-Interview in Belgrad über die Themen Kosovo und EU.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 17.1.2013
In Brüssel wird heute der Dialog zwischen Serbien und der EU fortgesetzt. Dabei verhandeln beide Regierungschefs, der Serbe Ivica Dacic und der Kosovo-Albaner Hashim Thaci über technische Probleme wie etwa die Bildung von Grenzübergängen, die gemeinsam mit der EU geführt werden sollen. Derartige Treffen wären unter der als prowestlich geltenden Vorgänger-Regierung in Belgrad undenkbar gewesen; doch der seit sechs Monaten amtierende Sozialist Ivica Dacic und sein nationalkonservativer Koalitionspartner, die Partei SNS, fahren einen sehr pragmatischen Kurs. Mit dem SNS-Vorsitzenden Alexander Vucic hat in Belgrad ORF-Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz über die Themen Kosovo und EU gesprochen.
Bekenntnis zur EU
Der 40-jährige Alexander Vucic ist das politische Schwergewicht in der serbischen Regierung. Er ist nicht nur Vorsitzender der stärksten Regierungspartei, stellvertretender Ministerpräsident und Verteidigungsminister, sondern auch Koordinator aller Geheimdienste. Der frühere Ultranationalist hat sich zu einem pragmatischen Politiker gemausert, der im Westen ernst genommen wird. Weit pragmatischer ist Vucic auch als sein langjähriger politischer Weggefährte, Staatspräsident Tomislav Nikolic. Während Nikolic in der Kosovo-Frage die nationalistische Rhetorik seines Vorgängers Boris Tadic fortsetzt und jüngst mit einem Thesenpapier zum Kosovo Zweifel am EU-Kurs aufkommen ließ, spielt Alexander Vucic auch in dieser Frage die pragmatische Karte:
„Nicht Papiere lösen Fragen und Beziehungen, sondern nur Personen; daher sind Gespräche wichtig. Seit meinem Amtsantritt bin ich mit keinerlei genialen Ideen in die Öffentlichkeit gegangen was den Kosovo oder andere Fragen betriff. Wichtig ist, dass auch die albanische Seite kompromissbereit ist und das sie versteht, dass nicht eine Seite alles gewinnen und die andere alles verlieren kann. Das ist weder möglich noch real und so kommt man auch nicht zu einer wirklichen Aussöhnung. Man muss durch einen Dialog versuchen, eine wirkliche und dauerhafte Lösung finden.“
Völlig klar ist Vucic in seinem Bekenntnis zur EU, wobei Belgrad hofft, bis zum Sommer ein konkretes Datum für den Beginn von Beitrittsverhandlungen von Brüssel zu bekommen. Alexander Vucic:
„Für Serbien ist das Datum enorm wichtig; das ist die schwächste Form, mit der ich diese Bedeutung ausdrücken kann. Denn wenn man das Datum bekommt, dann ist das ein Weg, von dem es kein Zurück mehr gibt. Das hieße dann auch, dass viele Investoren nach Serbien kommen könnten, weil sie dann sicher sein könnten, dass es Rechtssicherheit für Investitionen in unserem Land gibt. Somit würde Serbien mit einem Datum für Beitrittsgespräche einen rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmen für den eigenen Fortschritt schaffen, und gleichzeitig wäre auch die Zukunft Serbiens klar.“
Wie wichtig diese Zukunft für ihn ist, zeigt sich an der Wahl Deutschlands als strategischem Partner, obwohl Berlin klar die Unabhängigkeit des Kosovo unterstützt. So war der 40-jährige bereits wiederholt zu Gesprächen beim außenpolitischen Berater von Angela Merkl im Bundeskanzleramt in Berlin. Zur Bedeutung Deutschlands sagt Vucic:
„Wenn Serbien erfolgreich sein und Fortschritte machen will, dann muss Serbien alles tun, was in seiner Macht steht, damit Deutschland sein strategischer Partner wird. Natürlich ist Deutschland der weit größere und wichtiger Partner; trotzdem muss sich Serbien so weit wie möglich mit Deutschland verbinden, muss viel von Deutschland lernen und manchmal auch Dinge annehmen, die uns nicht passen. Denn Partnerschaft zeigt sich nicht nur dann, wenn etwas leicht und schön ist.“
Schwer ist auch der innenpolitische Kampf gegen die Korruption, den Vucic mit viel Härte führt. So sitzt nun sogar der größte serbische Tycoon bereits in Untersuchungshaft und Vucic will offensichtlich den Rechtsstaat wirklich stärken, um Serbien für ausländische Investoren attraktiver zu machen, die das Land so dringend braucht.