Ägypten: Zwei Jahre nach dem Sturz Mubaraks

In Ägypten jährt sich heute zum zweiten Mal der Sturz von Machthaber Hosni Mubarak. Heute steht mit Mohammed Mursi der erste demokratisch gewählte Präsident an der Spitze des Landes. Aber auch gegen ihn richtet sich der Unmut der Bevölkerung. Die Gründe scheinen dieselben wie in der Ära Mubarak: zu viel Macht für den islamistischen Präsidenten und die Regierung, politischer Stillstand, Korruption, keine Sicherheit und Stabilität.

Morgenjournal, 11.2.2013

Eva Maria Fohn im Gespräch mit ORF-Korrespondent Karim El-Gawhary.

Größtes Problem: Polarisierte politische Situation

Auch wenn es manchmal nicht so scheint, in Ägypten hat sich einiges verändert, einiges aber nicht. Es ist natürlich ein ganz anderes System als unter Mubarak, es gibt einen gewählten Präsidenten, es wird demnächst wieder Parlamentswahlen geben. Es hat sich auch gesellschaftlich viel geändert, die jüngere Generation ist aktiv und geht auch sehr aktiv gegen den Präsidenten und die Regierung vor.

Aber natürlich haben sich sehr viele Dinge nicht geändert. Allen voran, der ganze Staatsapparat ist im Grunde nicht reformiert worden, es ist der gleiche Sicherheitsapparat, die gleiche Polizei, die auf die gleiche Art und Weise agiert wie zu den Zeiten Mubaraks. Das größte Problem des Landes ist derzeit aber die wahnsinnig polarisierte politische Situation zwischen Islamisten und liberalen Kräften im Land. Da brechen Konflikte aus, die unter Mubarak dreißig Jahre lang unter Verschluss gehalten wurden. Die müssen auch ausbrechen, aber das führt dazu, dass das Land im Moment vollkommen feststeckt.

Immer mehr Haushalte verarmt

Das Problem ist, dass beide Lager im Grunde genommen an den Problemen der Ägypter vorbeireden. Vier von zehn Ägyptern müssen mit einem Euro am Tag auskommen, die wirtschaftliche und soziale Lage hat sich komplett verschlechtert.

Eine neue Studie des Welternährungsprogrammes besagt, dass 86 Prozent der ägyptischen Haushalte zu wenig Geld haben, um das täglich Notwendige zu besorgen. Vor einem Vierteljahr waren es nur etwas mehr als 70 Prozent. Diese Haushalte versuchen, billiger einzukaufen, leihen sich Geld oder aber sie essen einfach weniger. Für die Leute in Ägypten geht es nicht darum wie islamisch oder liberal die Gesellschaft ist, die meisten von ihnen haben ganz andere Probleme.

Keine Vision

Im Moment hat niemand eine Vision. Die Regierenden sagen, wenn die Menschen aufhören zu protestieren, werde alles besser, nur wie, dazu hört man nichts. Das Gleiche gilt für die Opposition, deren einziges Credo ist 'Alles, nur nicht die Muslimbrüder'. Dass die beiden Lager die Ägypter nicht ansprechen, zeigte auch das Verfassungsreferendum: 70 Prozent der Wahlberechtigten haben nicht abgestimmt.

Ein Sturz Mursis wie vor zwei Jahren bei Mubarak scheint unrealistisch. Mursi selbst erklärt, es sei eine andere Situation, denn er sei schließlich demokratisch gewählt und deswegen sei es nicht legitim, zu seinem Sturz aufzurufen. Erst gestern erklärte aber einer der führenden Oppositionellen, der Sturz eines legitimen Präsidenten könne auch nicht die Forderung der Opposition sein.

Lager sollten sich an einen Tisch setzen

Eigentlich scheinen alle Kräfte im Land das Gleiche zu wollen: bessere Schulen, bessere Krankenhäuser, eine Reform des Staatsapparates. Die unterschiedlichen politischen Kräfte sollten sich zusammensetzen, um gemeinsamen Boden.

Das ist die einzige Möglichkeit, aus dieser total polarisierten Situation herauszukommen, die das Land immer mehr nach unten zieht.