Ungarn: Orban will Macht weiter ausbauen

In Ungarn setzt die nationalkonservative Alleinregierung unter Ministerpräsident Viktor Orban weitere Schritte, ihre Macht zu zementieren und die Befugnisse unabhängiger Kontrollorgane zu beschneiden. Ab heute debattiert das Parlament den Entwurf einer Verfassungsnovelle zur weiteren Entmachtung des ungarischen Verfassungsgerichtshofes.

Morgenjournal, 12.2.2013

ORF-Korrespondent Ernst Gelegs berichtet aus Budapest.

Unabhängigkeit der Richter ein Dorn im Auge

"Das Imperium schlägt zurück" titelt das unabhängige Wochenmagazin HVG in seiner jüngsten Ausgabe und übt damit heftige Kritik am Vorhaben der nationalkonservativen Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orban, das Verfassungsgericht weiter zu entmachten.

Die Unabhängigkeit der Höchstrichter scheint der Regierung schon seit Längerem ein Dorn im Auge zu sein, denn das ungarische Verfassungsgericht hatte zahlreiche Gesetze als verfassungswidrig aufgehoben und so die Orban-Regierung gehörig blamiert.

Kriminalisierung von Obdachlosen zurückgewiesen

Jüngstes Beispiel ist die Wahlrechtsreform, die eine verpflichtende Anmeldung zur Wahl vorgesehen hätte. Gekippt wurde auch das Gesetz zur Kriminalisierung von Obdachlosen, das unterstandslosen Menschen verboten hätte, auf der Straße zu schlafen.

Aufgehoben hat der Verfassungsgerichtshof auch die Senkung des Pensionsalters für Richter. Orban hatte ursprünglich das Pensionsalter von 70 auf 62 Jahre senken lassen, um unliebsame Richter rascher loswerden zu können, wie Kritiker stets sagten. Doch der Verfassungsgerichtshof hat, mit der Unterstützung der EU, auch dieses Gesetz als verfassungswidrig zurückgewiesen.

Nur mehr aktuelle Verfassung zur Urteilsbegründung

Jetzt dürfte der machtbewusste ungarische Ministerpräsident die Nase voll haben und zum Gegenschlag ansetzen. Orban hat eine Verfassungsnovelle ausarbeiten lassen, die es in sich hat. Laut Entwurf dürfen sich die Höchstrichter nicht mehr auf ihre Urteile oder Erkenntnisse der letzten zwanzig Jahre beziehen.

Zur Urteilsbegründung darf nur mehr die aktuelle Verfassung herangezogen werden, die Orban dem Land voriges Jahr überstülpen ließ. Die Spruchpraxis der Höchstrichter in den Jahren vor 2012 würde damit juristisch wertlos werden. Laut Experten ist die Urteilshistorie aber ein wichtiger Teil der Rechtskontinuität, die in Ungarn nicht mehr gewährleistet wäre, wenn der Entwurf tatsächlich Gesetz wird.

Orban zeigt Höchstrichtern die lange Nase

Darüber hinaus sind weitere Einschränkungen der Prüfbefugnisse für Höchstrichter geplant wie etwa das Verbot, ein Gesetz auch inhaltlich zu prüfen, wenn lediglich eine formalrechtliche Überprüfung vorgenommen werden soll. Außerdem lässt Ministerpräsident Orban die kürzlich vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig gekippten Gesetze als Teil der neuen Verfassung verankern und zeigt damit den Höchstrichtern die lange Nase.

Die deutschsprachige ungarische Online-Zeitung Pester Lloyd schreibt in einem Kommentar, dass die ungarische Verfassung zu einem reinen Anlass- und Ermächtigungsgesetz der Machthaber verkommt.