Frauenpolitisches Vorzeigeland Norwegen

Wenn es um Gleichstellung geht, wird Norwegen immer wieder als ein leuchtendes Beispiel genannt. Die Frauenquote von 40 Prozent Frauen in Führungspositionen, die EU-Kommissarin Viviane Reding will, ist in Norwegen bereits seit einigen Jahren gesetzlich vorgeschrieben. Auch Kinderbetreuung und Karenzregelung gelten als vorbildlich.

Mittagsjournal, 8.3.2013

Wie funktioniert die Gleichstellung in Norwegen in der Praxis? Birgit Pointner hat mit Frauen gesprochen, die Erfahrungen sowohl in Österreich als auch in Norwegen gemacht haben.

Wirtschaft setzt auf Frauen

In Norwegen sei es selbstverständlich ist, dass eine Frau arbeitet, in Österreich nicht, sagt Helene Hauglin. Sie ist Soziologin und Sprachlehrerin und lebt seit 2005 in Wien. Welche Rolle die Frauen in Norwegen spielen, könne man etwa daran sehen, dass dort über die Wehrpflicht auch für Frauen ernsthaft diskutiert wird. Und die Wirtschaft setze in Norwegen auf Frauen auch dann, wenn sie Mütter werden. Es werde erwartet, dass sie in den Betrieb zurückkommt und weitermacht.

Außerdem nimmt man die Väter in die Pflicht: Drei Monate sind gesetzlich vorgeschrieben, damit man ein Jahr Karenz bei voller Bezahlung in Anspruch nehmen kann. Die große Mehrheit der norwegischen Väter geht in Karenz.

Nach Kind zurück zum Job

Die Tirolerin Barbara Lüth hat viereinhalb Jahre in Oslo gelebt und dort als gelernte Goldschmiedin in einem Juweliergeschäft gearbeitet. Als sie ihr erstes Kind bekommen hat, hat sie nach einem Jahr wieder zu arbeiten begonnen. Den Ganztages-Kindergartenplatz bekommt man garantiert. "So funktioniert eben die norwegische Gesellschaft." Kritik bekam sie dafür eher aus der Heimat. Mittlerweile hat sie zwei Töchter und lebt wieder in Innsbruck, organisatorisch und emotional sei es jetzt anstrengender, sagt sie.

Umgehungsmöglichkeiten

Ohne Probleme geht es aber auch in Norwegen nicht: Der vorgeschriebene 40-Prozent-Anteil von Frauen in Führungspositionen ist zwar offiziell umgesetzt, aber einige Firmen umgehen die Vorgabe, indem sie eine andere Rechtsform wählen oder ihren Standort verlegen. Und "Goldrock" nennt man eine Frau, die gleich mehrere solcher Führungspositionen innehat. Auch in Norwegen haben die Frauen noch Nachteile am Arbeitsmarkt, sagt Helene Hauglin, etwa indem sie Teilzeit arbeiten müssen, obwohl die Vollzeit wollten. Und die verdienten auch bei gleicher Arbeit weniger als die Männer. 100 Prozent Gleichberechtigung gebe es eben auch in Norwegen nicht, aber man müsse es zumindest versuchen.