Studie: Sozialbetrug ist kein Ausländerproblem

Friedrich Schneider von der Johannes Kepler Universität Linz hat das verbreitete Klischee vom Sozialbetrug genau unter die Lupe genommen und kommt zu zwei Erkenntnissen: Die Betrüger sind in erster Linie Österreicher, und es geht gar nicht um so viel Geld, wie angekommen.

Morgenjournal, 18.3.2013

Falsche Volksmeinung

Wer zockt den Sozialstaat ab? Eine Straßenumfrage in Wien bringt die erwarteten Antworten: die Ausländer. Der Linzer Experte Friedrich Schneider widerspricht: "Es sind wahrscheinlich drei Viertel Österreicher, die den Betrug begehen." Die Österreicher wüssten besser Bescheid, wie sie den Sozialstaat ausnützen, "weil nicht alle Ausländer lange genug in Österreich sind, um zu wissen, auf welche Bereiche sie Ansprüche haben."

Vielfältige Möglichkeiten

Sozialbetrug ist, wenn jemand Arbeitslosengeld bezieht, obwohl er einen Job hat, wenn sich jemand als Alleinerzieher ausgibt, obwohl er oder sie es nicht ist, wenn jemand Zuschüsse fürs Wohnen bekommt, obwohl er sie nicht braucht, auch die Pflege fällt darunter, wenn man Pflegegeld bezieht, aber eine Pflegerin schwarz anstellt, bis hin zur Frühpension, obwohl man nicht krank ist.

Von den Ausländern nützten vor allem Deutsche das heimische System aus. Sie hätten einen Sprachvorteil und kennen ein ähnlich System von zu Hause, so Schneider. Er nennt als Beispiel einen deutschen Kellner, der in einem großen Tiroler Hotel arbeitet: "Da verliert er vielleicht seinen Vertrag oder sein Vertrag läuft aus Ende April, und dann meldet er sich für Mai, Juni arbeitslos, obwohl er schon in Berlin jobbt."

1,2 Prozent

Den wirtschaftlichen Schaden durch Sozialbetrug schätzt Schneider auf eine Milliarde Euro in diesem Jahr. Gemessen an dem was der Staat insgesamt für Sozialleistungen insgesamt ausgibt, sei der Schaden nicht groß - gerade 1,2 Prozent der Sozialausgaben, so Schneider. Doppelt so viel Geld wie beim Sozialbetrug entgehe dem Staat durch Steuerhinterziehung, drei Mal so viel durch den Pfusch, sagt Schneider. Beides Delikte, die ebenfalls mehrheitlich von Österreichern aller sozialer Schichten begangen werden.

Sündenbock für Politiker

Betrug am Sozialstaat werde oft in Bezug auf Ausländer diskutiert, sagt Schneider. Sozialbetrug von Österreichern begangen, werde von Politikern hingegen wenig thematisiert: "Man will dem österreichischen Wähler nicht auf die Füße treten, man will nicht als Nestbeschmutzer dastehen." Politiker würden sich davor scheuen, Arbeitslose, Alleinerzieher oder Pflegegeldbezieher öffentlich in Frage zu stellen, sagt Schneider. Deshalb machten einige von Ihnen bei Sozialbetrug einfach ein Auge zu - oder sie finden einen Sündenbock: die Ausländer.