Bibelkommentar zu Johannes 8, 1-11
Ach, was ist das für eine Szene, am heiligen Ort, beim Tempel, am frühen Morgen. Furchtbar. Eine Frau wird "vorgeführt", alle zerreißen sich das Maul, Ehebruch. Wenn Frauen das tun, stört es die Ordnung und macht Angst. Um die Zeitenwende konnte das mit dem Tod bestraft werden. Gottseidank ist dem heute nicht mehr so.
8. April 2017, 21:58
Die Szene stammt aus dem neuen Testament, genauer: aus dem Johannes-Evangelium. Dieser Abschnitt fehlt in den ältesten Handschriften, wissenschaftlich geht man davon aus, dass er später eingefügt wurde. Dieser Textabschnitt zeigt eine differenzierte Szene, am heiligen Ort, am frühen Morgen. Die Szene lässt mich ambivalent zurück. Es war, so die gängige Erklärung, das Besitzdenken von Männern, das zur Bestrafung von Frauen im Falle von "Ehebruch" geführt hat. Wenn Frauen zum "Besitz" eines Mannes gehört haben, dann war ihre Eigenständigkeit im Bereich von Liebe und Sexualität unvorstellbar. Vorbewusst kann auch die Angst vor dem verlassen Werden mitspielen, denn die Selbstbestimmung von Frauen ermöglicht ihnen auch, eine Beziehung zu beenden. Aus meiner Arbeit und persönlich weiß ich, dass die Vorstellung, verlassen zu werden, Angst machen kann. Und natürlich ist es schön, nicht verlassen zu werden. Aber zugleich ist es wunderbar, dass Frauen bei uns nicht mehr mit dem Tod bestraft werden, wenn sie einen anderen Mann lieben. Dafür haben Frauen - und Männer - gekämpft, auch auf der Basis der Haltung Jesu. Gottseidank.
Aber ich meine, es geht noch um etwas ganz anderes in diesem Text. Den religiös Gelehrten ist Jesus je länger je mehr ein Dorn im Auge. Jesu Heilkräfte ziehen die Leute an, viele wollen von ihm geheilt werden. Seine Verkündigung ärgert, er greift religiöse Gruppen an und kritisiert deren Einstellungen. Jesu Botschaft wird immer radikaler, seine Anhängerinnen und Anhänger immer unterschiedlicher, Zöllner und Huren und auch ein paar Reiche… Es ärgert die Herrschenden, dass das Volk so fasziniert ist, es ist an der Zeit, so scheinen die Machthabenden zu denken, ihn herauszufordern, ihn aufzudecken, dass er sein wahres Gesicht zeigen muss. Wenn er die Frau in Schutz nimmt, hat er den Ehebruch gerechtfertigt. Wenn nicht, wird sie gesteinigt, dann ist seine "Menschenfreundlichkeit" am Ende.
Ach, was für eine Szene, am heiligen Ort, beim Tempel, am frühen Morgen. Furchtbar. Ich versuche, diese Szene zu erfassen: Da sind die Menschen, die zu Jesus kommen und ihm zuhören. Da sind die Gelehrten, die Jesus eine Falle stellen, die ihn in ein Dilemma bringen wollen. Und da ist die Frau, die für diese "Inszenierung" geopfert werden soll. Jesu Bewegung ist interessant: Er sitzt, er bückt sich (und schreibt in den Sand), er richtet sich auf, er bückt sich wieder… - die Szene zeigt eine interessante Mischung aus aufrechter Auseinandersetzung und gebückter Haltung.
Die Auseinandersetzung erfordert die aufrechte Haltung, die Begegnung mit der Frau geschieht in gebückter Position. Das kenne ich auch: Manches lässt sich nur von Angesicht zu Angesicht klären, im geraden und auch konfrontierenden Blick, dem Blick ausweichen würde bedeuten, zurückzuweichen, nachzugeben. Und das geht nicht, wenn es um Leben und Tod geht, wenn es um Gerechtigkeit und Urteilen geht. Umgekehrt bücke ich mich, wenn ich mich jemandem zuwende, der selbst gebückt oder verletzt ist… Beides ist notwendig - Konfrontation und Zuwendung, aufrecht sein und mich bücken.
Und schon wieder möchte ich "ach" sagen. Wenn uns das Urteil über andere nur zusteht, wenn wir selbst ohne Unrecht sind, dann hat es sich tatsächlich erledigt, dann muss ich über niemanden mehr urteilen. Natürlich kann ich ein bestimmtes Verhalten mit "in meinen Augen richtig" oder "falsch" nennen, aber: ich kann nicht mehr urteilen. Das ist das Schöne an dieser so schweren Szene: niemand urteilt über den anderen, niemand urteilt mehr über mich. Das wäre schön.
Ach, was ist das für eine Szene, am heiligen Ort, beim Tempel, am frühen Morgen. Furchtbar. Eine Frau wird "vorgeführt", alle zerreißen sich das Maul, Ehebruch. Wenn Frauen das tun, stört es die Ordnung und macht Angst. Um die Zeitenwende konnte das mit dem Tod bestraft werden. Gottseidank ist dem heute nicht mehr so.
Die Szene stammt aus dem neuen Testament, genauer: aus dem Johannes-Evangelium. Dieser Abschnitt fehlt in den ältesten Handschriften, wissenschaftlich geht man davon aus, dass er später eingefügt wurde. Dieser Textabschnitt zeigt eine differenzierte Szene, am heiligen Ort, am frühen Morgen. Die Szene lässt mich ambivalent zurück. Es war, so die gängige Erklärung, das Besitzdenken von Männern, das zur Bestrafung von Frauen im Falle von "Ehebruch" geführt hat. Wenn Frauen zum "Besitz" eines Mannes gehört haben, dann war ihre Eigenständigkeit im Bereich von Liebe und Sexualität unvorstellbar. Vorbewusst kann auch die Angst vor dem verlassen Werden mitspielen, denn die Selbstbestimmung von Frauen ermöglicht ihnen auch, eine Beziehung zu beenden. Aus meiner Arbeit und persönlich weiß ich, dass die Vorstellung, verlassen zu werden, Angst machen kann. Und natürlich ist es schön, nicht verlassen zu werden. Aber zugleich ist es wunderbar, dass Frauen bei uns nicht mehr mit dem Tod bestraft werden, wenn sie einen anderen Mann lieben. Dafür haben Frauen - und Männer - gekämpft, auch auf der Basis der Haltung Jesu. Gottseidank.
Aber ich meine, es geht noch um etwas ganz anderes in diesem Text. Den religiös Gelehrten ist Jesus je länger je mehr ein Dorn im Auge. Jesu Heilkräfte ziehen die Leute an, viele wollen von ihm geheilt werden. Seine Verkündigung ärgert, er greift religiöse Gruppen an und kritisiert deren Einstellungen. Jesu Botschaft wird immer radikaler, seine Anhängerinnen und Anhänger immer unterschiedlicher, Zöllner und Huren und auch ein paar Reiche… Es ärgert die Herrschenden, dass das Volk so fasziniert ist, es ist an der Zeit, so scheinen die Machthabenden zu denken, ihn herauszufordern, ihn aufzudecken, dass er sein wahres Gesicht zeigen muss. Wenn er die Frau in Schutz nimmt, hat er den Ehebruch gerechtfertigt. Wenn nicht, wird sie gesteinigt, dann ist seine "Menschenfreundlichkeit" am Ende.
Ach, was für eine Szene, am heiligen Ort, beim Tempel, am frühen Morgen. Furchtbar. Ich versuche, diese Szene zu erfassen: Da sind die Menschen, die zu Jesus kommen und ihm zuhören. Da sind die Gelehrten, die Jesus eine Falle stellen, die ihn in ein Dilemma bringen wollen. Und da ist die Frau, die für diese "Inszenierung" geopfert werden soll. Jesu Bewegung ist interessant: Er sitzt, er bückt sich (und schreibt in den Sand), er richtet sich auf, er bückt sich wieder… - die Szene zeigt eine interessante Mischung aus aufrechter Auseinandersetzung und gebückter Haltung.
Die Auseinandersetzung erfordert die aufrechte Haltung, die Begegnung mit der Frau geschieht in gebückter Position. Das kenne ich auch: Manches lässt sich nur von Angesicht zu Angesicht klären, im geraden und auch konfrontierenden Blick, dem Blick ausweichen würde bedeuten, zurückzuweichen, nachzugeben. Und das geht nicht, wenn es um Leben und Tod geht, wenn es um Gerechtigkeit und Urteilen geht. Umgekehrt bücke ich mich, wenn ich mich jemandem zuwende, der selbst gebückt oder verletzt ist… Beides ist notwendig - Konfrontation und Zuwendung, aufrecht sein und mich bücken.
Und schon wieder möchte ich "ach" sagen. Wenn uns das Urteil über andere nur zusteht, wenn wir selbst ohne Unrecht sind, dann hat es sich tatsächlich erledigt, dann muss ich über niemanden mehr urteilen. Natürlich kann ich ein bestimmtes Verhalten mit "in meinen Augen richtig" oder "falsch" nennen, aber: ich kann nicht mehr urteilen. Das ist das Schöne an dieser so schweren Szene: niemand urteilt über den anderen, niemand urteilt mehr über mich. Das wäre schön.