Kinder als Dolmetsch im Spital

Kinder aus Einwandererfamilien lernen oft sehr früh Verantwortung zu übernehmen. Denn wenn die Eltern kaum deutsch sprechen, sind die Sprachkenntnisse der Kinder gefragt. Sie übersetzen Rechnungen und wichtige Briefe von Behörden, dolmetschen beim Arzt oder im Krankenhaus.

Mittagsjournal, 20.3.2013

Belastung für die Kinder

Vor mehr als fünf Jahren ist die heute 14-jährige Manar mit ihrer Familie aus Ägypten nach Österreich gekommen. Heute spricht Manar fließend Deutsch, ihre Eltern können sich aber kaum verständigen. Schon mit elf Jahren hat Manar sie zum Arzt und ins Spital begleitet. Zwar habe sie nicht alles verstanden, aber irgendwie habe sie eben übersetzt, schildert Manar.

Weil es in den Spitälern kaum professionelle Dolmetscher gibt, sei man über jede Hilfe froh, beschreibt der Translationswissenschaftler Franz Pöchhacker die derzeitige Situation. Für die Kinder und Jugendlichen sei die Dolmetscher-Rolle aber sehr belastend. So weiß Pöchhacker von Fällen, in denen die Kinder so übersetzt hätten, dass ihre Eltern nicht in s Spital müssten, sondern auch bei ihnen zuhause bleiben könnten.

Auch Manar kennt solche Situationen. Als bei ihrer Mutter eine schwere Krankheit diagnostiziert wurde, war das Mädchen überfordert: Da habe sie es ihrem Vater gesagt, weil sie sich nicht getraut habe, es direkt der Mutter zu sagen.

Haarsträubende Übersetzungsfehler

Zwei Sprachen zu beherrschen findet Manar zwar gut. Die große Verantwortung macht ihr aber manchmal zu schaffen, etwa wenn sie wichtige Briefe möglichst genau übersetzen muss.

Pöchhacker hat schon in den 90er Jahren eine Fallstudie in einem Spital durchgeführt. Dabei habe er haarsträubende Übersetzungsfehler erlebt, wobei das Vertrauen der Patienten schon verloren ging, bevor noch das eigentliche Behandlungsgespräch begonnen hatte.

Kaum Dolmetscher

Dass viel schiefgehen kann, sei seit Jahren bekannt, so Pöchhacker. Trotzdem gebe es in den österreichischen Spitälern kaum professionelle Dolmetscher. Ein Vorbild sei Australien, weiß Pöchhacker aus eigener Erfahrung: Dort sei er sofort gefragt worden, ob er einen Dolmetscher brauche.

Die heimischen Spitäler sind Ländersache. In Wiener Spitälern sind keine professionellen Dolmetscher angestellt, heißt es aus dem Wiener Krankenanstaltenverband. Es gebe aber fünf Planstellen für sogenannte muttersprachliche Beraterinnen, die für türkische Patientinnen übersetzen.