Türkei: Warten auf Öcalan

Nach über 30 Jahren Bürgerkrieg zwischen der kurdischen PKK und der türkischen Armee soll heute der Weg zum Frieden eingeschlagen werden: Der seit 14 Jahren inhaftierte PKK-Chef Abdullah Öcalan soll einen einseitigen Waffenstillstand ankündigen.

Morgenjournal, 21.3.2013

Vom Bösen zum Hoffnungsträger

Die türkische Politik liebt extreme Wendungen. Wohl deshalb kommt es hier niemandem besonders seltsam vor, dass ein Mann, der vor kurzem noch als das leibhaftige Böse galt, auf einmal zum Hoffnungsträger wird. Abdullah Öcalan, der Chef der PKK und seit 14 Jahren der bestbewachte Gefangene des Landes, soll heute den Bürgerkrieg zwischen Kurden und Türken beenden. Mit einer Erklärung, die er auf seiner Gefängnisinsel geschrieben hat, und die von türkischen Geheimdienstleuten mit dem Boot aufs Festland gebracht werden wird.

Triumph statt Hinrichtung

Wen wundert es da noch, dass der letzte James Bond in Istanbul gedreht wurde? Noch vor eineinhalb Jahren hatte Ministerpräsident Erdogan erklärt, dass es ein Fehler war, Öcalan nicht rechtzeitig aufzuhängen. Jetzt handelt derselbe Erdogan mit demselben Öcalan einen politischen Deal aus, der Beiden einen Triumph bringen soll. Erdogan kann bei den Präsidentenwahlen im Sommer 2014 als Friedensbringer auftreten, mit dem es kein anderer türkischer Politiker aufnehmen kann. Öcalan erhält im Nachhinein eine Rechtfertigung für einen mehr als 30jährigen Krieg, der über weite Strecken als sinnlos, selbstzerstörerisch und menschenverachtend galt. Immerhin kann Öcalan jetzt darauf verweisen, dass die Kurden am Ende doch die angestrebte Anerkennung ihrer Sprache erreicht haben. Und dass die mächtige türkische Regierung mit ihnen jetzt über eine neue Verfassung spricht.

Gegenleistungen erwartet

In seiner Erklärung, die auf Türkisch und Kurdisch verlesen werden soll, wird Öcalan aber nicht nur das bisher Erreichte hervorstreichen – er wird auch Forderungen für die Zukunft aufstellen. Wenn die PKK jetzt ihre Kämpfer aus dem Land zurück zieht, erwartet sie dafür die Freilassung von tausenden kurdischen Häftlingen und eine Dezentralisierung der Verwaltung. Er wolle der Türkei endlich Demokratie volle Demokratie bringen, hat der Kurdenführer bereits angekündigt. Fürs politisch geübte Publikum kein wirklich neuer Slogan: Von Atatürk bis Erdogan, einschließlich der Putschgeneräle, hat noch jeder starke Mann den Türken die wahre Demokratie versprochen.