Potenzial von Migrantinnen bleibt ungenutzt

Als Zuwanderer in Österreich einen Job zu bekommen ist offenbar eine Kunst: Steigt man in ein Taxi, trifft man einen Juristen als Chauffeur, und einen Waschraum putzt mitunter eine medizinisch ausgebildete Akademikerin. Laut einer Studie des Zentrums für soziale Innovation haben vierzig Prozent der Zuwanderer in Österreich eine Ausbildung mit Maturaniveau und darüber, arbeiten aber auf einem Niveau weit darunter. Besonders Frauen sind davon betroffen.

Morgenjournal, 25.3.2013

Deutschkurs nicht leistbar

Said ist vor zwölf Jahren mit ihrem Mann aus Afghanistan nach Österreich geflüchtet. Beide sind Juristen, er war Diplomat, sie hat im Verfassungsgerichtshof gearbeitet. In Österreich arbeitet ihr Mann als Hilfskoch in einem Wiener Café. Said, die fünf Sprachen spricht, hat bisher keine Arbeit gefunden: "Leider konnte ich in meinem beruflichen Leben nicht weiter kommen."

Sie wollte Kindergruppen betreuen, da hieß es, sie sei überqualifiziert. Sie wollte Bürojobs machen und dafür besser Deutsch lernen. "Ich habe beim AMS hundert Mal nach einem Deutschkurs gefragt, aber sie haben gesagt, es reiche. Es reiche für eine Reinigungskraft", schildert Said. Privat könne sie sich den Deutschkurs nicht leisten, sagt sie.

Einmal Putzfrau, immer Putzfrau

Dieses Schicksal sei kein Einzelfall, sagt Rotija Dumpelnik. Sie arbeitet als Mentorin im Mentoringprogramm für Migranten von Wirtschaftskammer, AMS (Arbeitsmarktservice) und Österreichischem Integrationsfonds. "Es überrascht mich, dass die Beraterinnen und Berater vom AMS noch nicht so geschult sind – sie werden derzeit geschult -, dass sie genau hinschauen, wer ihr Kunde oder ihre Kundin ist", so Dumpelnik.

Viele Zuwanderer können in Österreich ihre Berufe nicht ausüben, aber Frauen sind besonders betroffen; weil oft Männer zuerst arbeiten gehen und die Frauen zu Hause bei den Kindern bleiben, und wenn sie arbeiten, wollen sie schnell mit einfachen Tätigkeiten Geld nach Hause bringen. Aber es droht die Falle: einmal Putzfrau immer Putzfrau, warnt Dumpelnik: "Zurzeit ist es noch so – nicht immer, aber immer wieder-, dass wenn sich eine Person beim AMS arbeitssuchend meldet und davor etwa als Putzfrau gearbeitet hat, dann läuft sie unter der Kategorie Reinigungskraft, egal welche Qualifikationen sie davor hatte."

Hürden für Anerkennung zu groß

Auch bei der Anerkennung der Ausbildungen hapert es. Rotija Dumpelnik nennt das Beispiel einer Ärztin aus Guatemala: "Allgemeinärztin, Fachausbildung zur Gynäkologin, Spezialausbildung für Krankenhausmanagement in den USA, bei internationalen Einsätzen dabei gewesen. In Österreich hätte sie elf Prüfungen machen müssen, damit sie wieder die Berechtigung hat, als Ärztin zu arbeiten. Diese Hürde ist zu groß."

Seit wenigen Jahren gebe es Verbesserungen beim AMS, sagt Dumpelnik, und sie verweist auf eine Nostrifizierungsstelle, die sich jetzt darum bemüht, akademische Abschlüsse anzuerkennen. Aber vieles fehle noch, vor allem die Arbeitserlaubnis für Asylwerber. Der Wirtschaft entstehe ein großer Schaden, sagt Dumpelnik.

Hoffnung und Resignation dicht beieinander

Aber auch die Seele nehme Schaden, sagt Said: "Ich war total deprimiert. Ich bin jetzt 41 Jahre alt, ich will weiter lernen und weiter etwas für mich machen."

Said will nicht aufgeben. Ihr Mann, der ehemalige Diplomat, hat sich inzwischen mit seinem Job als Hilfskoch abgefunden.