Nordirak: Christen in Bedrängnis

Zehn Jahre nach dem Irak-Krieg ist es in den westlichen Medien etwas ruhiger geworden um diese Krisenregion, doch das das bedeutet nicht, dass der Irak inzwischen zur Ruhe gekommen ist.

Politische Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Volksgruppen, Streit um die reichen Ölressourcen und religiöse Konflikte prägen den Alltag der Menschen hier. Besonders schwer hat es die kleine christliche Minderheit im Land, die versucht, ihre weit zurückreichende Tradition, ihre kulturelle und religiöse Identität zu bewahren.

  • Mosul im Nordirak

    Blick über die Altstadt von Mosul.

    (c) Wolfgang Böhm, DKA

  • Mosul im Nordirak

    Alltag in Mosul.

    (c) Wolfgang Böhm, DKA

  • Mosul im Nordirak

    Reste der Mauern der Stadt Ninive, in Mosul.

    (c) Wolfgang Böhm, DKA

  • Mosul im Nordirak

    Blick über Mosul. Im Hintergrund sind Reste der Stadt Ninive zu sehen.

    (c) Wolfgang Böhm, DKA

  • Die Kirche Mar Thomas in Mosul

    Die syrisch-katholische Kirche im Kloster Mar Thomas, im Herzen der Altstadt Mosuls.

    (c) Wolfgang Böhm, DKA

  • Alte Handschriften im Museum des Klosters Kloster Mar Thomas

    Handschriften alter biblischer Texte im Museum des Klosters Mar Thomas.

    (c) Wolfgang Böhm, DKA

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Besonders genau werden die Pässe kontrolliert am Checkpoint zwischen der autonomen Kurdenregion im Nordirak und dem von Bagdad kontrollierten Gebieten. Dann geht es weiter Richtung Mosul: über deutlich schlechtere Straßen, durch deutlich weniger adrette Dörfer und Städte als noch vorher im Kurdengebiet.

Und schließlich taucht Mosul auf, am rechten Ufer des Tigris. Der erste Eindruck ist ein freundlicher: Ein Rummelplatz mit Riesenrad und blinkenden Lichtern, schließlich Reste der Mauern des alten Ninive. Doch die Stadt im Norden des Irak ist alles andere als friedlich: Sie gilt heute als Al-Kaida-Metropole. Mitten in der malerischen Altstadt zwischen verwinkelten Gassen liegt das syrisch-katholische Kloster Mar Thomas.

Vor einigen Jahren seien noch vier Priester hier gewesen, heute ist Father Pios alleine. Die jungen Priester trauen sich nicht nach Mosul - wegen der vielen Anschläge. Doch Father Pios verzichtet sogar auf die üblichen Wachleute vor der Tür.

"Wir sind die einzige Kirche hier ohne Wächter", erklärt er. "Wenn sie uns schlagen wollen, dann werden sie das tun - kein Wächter könnte uns davor schützen. Wir haben nur Gott, der uns schützt."

Die Nacht ist ruhig hier mitten in der Altstadt von Mosul, doch kurz nach sechs Uhr: ein lautes Krachen. Die Gegenstände im Zimmer wackeln kurz. Dann ist es wieder ruhig. Beim Frühstück meint Father Pios lapidar: "Ach so, das? Eine Autobombe".

Sie ist nahe einer Polizeistation im Viertel Al-Qadisia hoch gegangen ist. In der ganzen Straße seien die Fensterscheiben zersplittert. Weit genug weg vom Kloster Mar Thomas - diesmal. Doch Father Pios kennt die Gewalt auch aus nächster Nähe: 2007 ist er gemeinsam mit einem jungen Priester gekidnappt worden.

200.000 Dollar Lösegeld musste der Erzbischof damals aufbringen, damit die beiden Priester nach neun Tagen wieder frei kamen. "Sonst wären wir wahrscheinlich getötet worden", erzählt Father Pios.

Wer genau ihn damals entführt hat, weiß Father Pios nicht. "Irgendeine muslimische Gruppe", sagt er. "Aber es gibt hier so viele davon. Wir wissen nicht genau, wer es war. Manchmal kidnappen diese terroristischen Gruppen einfach jemanden, um an Geld zu kommen für ihre Aktivitäten."

Negative Gefühle gegenüber Muslimen hegt Father Pios dennoch keine. Nicht nur christliche Familien, sondern auch muslimische Familien, die Hilfe brauchen, bekommen bei ihm Unterstützung, denn er sagt: "Armut hat keine Religion".

Neben der Kirche hat der Pater in jahrelanger Arbeit ein Museum eingerichtet: alte Handschriften, Tabernakel, Messgewänder und Alltagsgegenstände, die Zeugnis vom Leben der kleinen christlichen Gemeinde hier ablegen.

Die meisten Artefakte haben die Mitglieder der kleinen syrisch-katholischen Gemeinde dem Museum zur Verfügung gestellt. Oft kommen vor allem an hohen Feiertagen die Messbesucher noch anschließend ins Museum, um hier etwa ihren Kindern die eigene Kultur und religiöse Tradition näher zu bringen. Ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung der eigenen Identität - vor allem für eine Gruppe, die in den letzten Jahrzehnten kleiner und kleiner geworden ist.

Rund 500 syrisch-katholische Familien lebten einst in Mosul, der Großteil davon ist geflüchtet. Heute sind rund 200 Familien übrig geblieben. Das Museum sei auch wichtig, um dieser kleinen Schar, Stolz auf ihrer eigene Tradition und Identität zu vermitteln, erklärt Father Pios: "Um ihnen ihre Wurzeln zu zeigen."

Unterstützt wird dieses Projekt auch von der Österreichischen Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar, also mit den Spenden, die die Sternsinger nach Weihnachten Jahr für Jahr sammeln.