Bibelkommentar zu Johannes 21, 1 – 19

Die erste Szene des Evangeliums ist ja gut vorstellbar: Es ist Alltag eingekehrt. Sieben Jünger Jesu, an der Spitze Petrus, gehen nach Ostern fischen. Sie üben in ihrer galiläischen Heimat ihren Beruf aus. Es sichert ihren Lebensunterhalt, - aber das Fischen bringt nichts.

Wie nun das Evangelium nach dem scheinbar so einfachen Anfang dann weitergeht ist unglaublich. Für einen Menschen wie mich, der in einer modernen, westlichen Gesellschaft aufgewachsen ist, bietet Johannes mit dem letzten Kapitel seines Evangeliums eine wirklich schwere Kost.

Ein Auferstandener, der Fische am Kohlenfeuer grillt, das widerspricht einfach dem Wirklichkeitsgeschmack eines typischen Westlers. Wenn ich mir jedoch den Text wie ein Textil vorstelle, in das der Evangelist viele Fäden eingewoben hat, dann bekomme ich eine gewisse Ahnung, warum er so und nicht anders schreibt.

Allein mit dem Faden des Kohlenfeuers etwa gelingt es ihm, das Kohlenfeuer in Erinnerung zu rufen, an dem sich Petrus im Hof des hohenpriesterlichen Palastes wärmte. Und zugleich wird allen vor Augen geführt, dass dieser Petrus damals Jesus dreimal verleugnet hat, ehe der Hahn krähte. Mit dem Faden der Fische wiederum - verbunden mit dem Faden vom See Tiberias - knüpft der Evangelist an seine Erzählung von der wunderbaren Speisung der 5000 mit fünf Broten und zwei Fischen am See an, der unter dem Namen See Genesaret bekannter ist. Und so ließen sich viele Fäden genau benennen. Im dichten Gewebe des Textes hängt eben an jedem Faden eine ganze Geschichte, die so erkennbar wird.

Und warum gibt es nun diesen Text, der so gar nicht leicht zu verstehen ist? Was führt dazu, dem Johannesevangelium noch ein Kapitel anzuhängen? Ein Blick auf die handelnden Personen gibt einen ersten Einblick: Die zentralen Personen des Textes sind drei: neben Jesus, dem Auferstandenen, sind es der Jünger, den Jesus liebte, und Petrus. Es geht also um die Beziehung der beiden Jünger zu Jesus und zueinander. Für heute bleibe ich bei dem, was sich zwischen Petrus und Jesus abspielt:

Diesen Petrus, der versagt hat und der jetzt noch die Hilfe des Jüngers, den Jesus liebt, benötigt, um den Auferstandenen überhaupt zu erkennen, diesen Petrus befragt Jesus dreimal: Liebst du mich? Und da wird deutlich: Nicht mehr das Versagen zählt. In der Liebe ist die Vergangenheit aufgehoben und verwandelt. Auf der Basis dieser Liebe kann Petrus mit der Sorge um die Einheit der Kirche betraut werden.

Heute hätte Petrus aber keine Chance, mit der Aufgabe eines Petrusamtes betraut zu werden. Nicht nur die öffentliche Meinung verlangt für solche Positionen fehlerfreie Menschen oder zumindest solche, die fehlerfrei zu sein scheinen. Und die Geschichte des Petrus hat tatsächlich zu dunkle Flecken. Im unmittelbaren Vorfeld der Ermordung Jesu am Kreuz diesen zu verleugnen, das ist jedenfalls aus heutiger Sicht einfach unverzeihlich. Wie gut, dass es das letzte Kapitel des Johannesevangeliums gibt, mit dem sich aufgeklärte Menschen wie ich so schwer tun. Klärt es mich doch darüber auf, dass in der Nachfolge Jesu auch für die größten Aufgaben in der Kirche letztlich die Liebe zählt.