EU-Parlament: Heiße Debatte über Ungarn

Die Europaparlamentarier haben heute in Straßburg über die umstrittenen Verfassungsänderungen in Ungarn debattiert. Die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Viviane Reding, bekräftigte, dass die ungarische Regierung die erforderlichen Schritte einleiten müsse, um die Bedenken ausräumen zu können. Vor allem müsste das EuGH-Urteil umgesetzt werden. Reding schloss weitere Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn nicht aus.

Mittagsjournal, 17.4.2013

Nicht in Ungarn "verbeißen"

Seitens der Europäischen Volkspartei (EVP) versuchte der Abgeordnete Frank Engel die Wogen zu glätten. Es handle sich um eine "juristisch recht sterile Debatte". Die Frage sei, was mit einer Zweidrittel-Mehrheit gemacht werden könne. Jedenfalls gebe es auch den Eindruck einer gewissen Legitimität der Regierung von Viktor Orban. Die Gefahr bestehe auch, dass sich "alle zu sehr in Ungarn verbeißen, und dass die ungarischen Bürger das Gefühl bekommen, dass Europa nicht auf ihrer Seite ist". Die Griechen hätten dieses Gefühl schon, die Zyprioten auch, die Italiener aus anderen Gründen und auch die Portugiesen. "Schlussendlich ist Europa gerade dabei, die Bevölkerung zu verlieren".

Keine Debatte zwischen Links und Rechts

Der Vorsitzende der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Hannes Swoboda, trat dem entschieden entgegen. Ungarn habe seine Freiheit immer geliebt, sich gegen österreichische Dominanz gewehrt, gegen sowjetische Besatzung und das kommunistische Regime. Aber "in keinem Land, keinem Rechtsstaat der EU, kann es beliebig Gesetze beschließen". Er frage sich, wann Orban, der sich immer gegen Unfreiheit gewehrt habe, diesen Weg verlassen habe. Swoboda wandte sich auch dagegen, eine Debatte zwischen Linken und Rechten bei Ungarn zu sehen. "Barroso, Reding und Spindelegger sind Linke?", fragte er die Abgeordneten. Er forderte auch die Regierung in Budapest auf, entschieden gegen jüngste antisemitische Hetze gegen Professoren vorzugehen. Außerdem sei es "inakzeptabel", dass in Ungarn Reding als "Pitbull" hingestellt werde.

Pro und Contra Verfahren

Von den Liberalen forderte Guy Verhofstadt ein Verfahren gegen Ungarn nach Artikel 7 des EU-Vertrags, der auch einen Entzug von Stimmrechten bei Verstößen gegen demokratische Prinzipien vorsieht. Ungarn sei dem Verstoßverfahren nicht nachgekommen und habe das EuGH-Urteil nicht umgesetzt. Das Hauptproblem sei derzeit, dass die Befugnisse des Verfassungsgerichts in Ungarn eingeschränkt werden. Es gehe um eine Konzentration der Befugnisse der Justiz in den Händen nationaler Beamte.

Die Grüne Rebecca Harms trat gegen ein Artikel Sieben-Verfahren gegen Ungarn ein. "So einleuchtend das auch scheint, das ist wie bei der Atombombe, man hat sie, aber man kann sie eigentlich auch nicht einsetzen", sagte sie. Harms kritisierte die EVP, wo die Abgeordneten "nicht das Kreuz haben, sich für vieles, was ihre Kollegen in Ungarn machen, zu entschuldigen".

Neue Verfahrensstufe?

Reding verwies auf die jüngste Initiative von mehreren Außenministerin der EU, wonach ein Instrumentarium entwickelt werden soll, das zwischen dem Artikel sieben und dem Vertragsverletzungsverfahren angesiedelt sei. "Wir müssen eher in der Lage sein, einzugreifen, wenn Probleme wie die jetzigen in Ungarn auftreten". Die Probleme mit Ungarn existierten seit 2011. Die zuletzt erhaltenen Dokumente aus Budapest müssten erst grundsätzlich geprüft werden. Schließlich gehe es um den Schutz der Grundwerte, in Budapest gebe es einen Widerspruch zu den Verpflichtungen der EU für einen effizienten Rechtsschutz.

Die irische EU-Ratsvorsitzende Europaministerin Lucinda Creighton sagte, es sei jetzt Sache der Kommission, eine Bewertung vorzunehmen. Die irische Präsidentschaft unterstütze die Haltung der Kommission. Der Rat selbst habe aber noch keine Position formuliert. (Text: APA, Red.)