John Hattie: "Lernen sichtbar machen"

Der neuseeländische Bildungswissenschaftler John Hattie hat mit seinem Buch "Visible learning" vor allem im englisch-sprachigen Raum für Kontroversen gesorgt. Heute erscheint es erstmals in deutscher Übersetzung. Viele der beliebten Lösungsansätze für die Steigerung der Lerneffizienz bei Schülern und Schülerinnen fallen bei ihm durch.

Mittagsjournal, 17.4.2013

Reka Tercza und

50.000 Studien, 250 Mio. Schüler

Kleinere Schulklassen förderten die Qualität des Unterrichts, lautet der allgemeine Tenor in der österreichischen Bildungspolitik. Doch diese Behauptung ist nicht haltbar - zumindest wenn es nach dem neuseeländischen Bildungsforscher John Hattie geht. Er beurteilt die Paradelösung für Leistungssteigerung mit einem "Nicht genügend." Verglichen mit allen anderen Sachen, für die wir in der Bildung Geld ausgeben können, habe das nur einen sehr geringen Effekt.

Für seine Aussagen hat John Hattie in seinem monumentalen Werk "Visible learning" sämtliche englischsprachigen Studien zum Thema Lernerfolg zusammengefasst. 50.000 Einzelstudien mit rund 250 Millionen beteiligten Schülern und Schülerinnen dienen seinen Erkenntnissen als Grundlage.

"Lehrer machen den Unterschied"

Neben kleineren Klassen fallen bei ihm das Sitzenbleiben ebenso durch, wie der offene Unterricht oder die Hausaufgaben. Bei Hattie kommt es vor allem auf einen an - den Lehrer: "Den größten Effekt erzielen Lehrer und Lehrerinnen, wenn sie wissen, welchen Einfluss sie haben. Es ist nicht unbedingt wichtig, mit einem umfangreichen Fachwissen und guten Lernmethoden ausgestattet zu sein. Das ist alles sehr hilfreich, aber die Lehrkräfte, die sich ihren Einfluss bewusst machen, sind bereit sich zu verändern und machen den Unterschied."
Auch ständiges Feedback erhöhe die Leistung im Unterricht. Dieses solle sich aber nicht nur auf den Schüler beschränken ist John Hattie überzeugt: "Die Schüler und Schülerinnen erhalten genug. In der Wissenschaft gehen wir einen Schritt weiter und fragen nach, was für ein Feedback die Lehrkraft über ihren Einfluss auf die Schüler bekommt. Denn das hat den größten Nutzen."

Nur sichtbare Änderungen

Hatties Fazit: Gute Lehrer steigern die Qualität. Das sei ganz klar, würde man meinen. Doch dann stellt sich die Frage: Wieso werden Unsummen an Geldern in strukturelle Veränderungen investiert? John Hattie weiß die Antwort: "Ich glaube, der Grund, wieso wir diese strukturellen Veränderungen machen, ist weil wir sie sehen können. Man kann ein neues Gebäude, einen neuen Lehrplan oder einen neuen Test sehen." Pädagogische Erneuerungen sind hingegen weniger offensichtlich.

Ob die Hattie-Studie, die sich auf englischsprachige Forschung und viel auf angelsächsische Schulsysteme bezieht, in der österreichischen Bildungslandschaft Anklang findet, wird sich zeigen. Eines ist jedoch gewiss: Es gibt genügend Gesprächsstoff.

Service

"Lernen sichtbar machen", John Hattie, 439 Seiten, Schneider Verlag, ISBN-10: 3834011908, ISBN-13: 978-3834011909