"Ganztagsschule ist familienfördernd"

Letzte Woche ist die Neuregelung der Lehrerausbildung in Begutachtung gegangen. Seither wird nicht nur die Ausbildung von Pädagogen wieder intensiv diskutiert, sondern auch die Reform des gesamten österreichischen Schulwesens. Bei einer Tagung in Wien nahm ein hochrangiger Experte aus Deutschland zum Thema Ganztagsschule Stellung. Aus seiner Sicht ist das ganztägige Lernen familienfördernd.

Mittagsjournal, 11.4.2013

Keine Beeinträchtigung

Heinz Günter Holtappels ist Professor für Erziehungswissenschaft und Schulentwickler an der Technischen Universität Dortmund. Seine Spezialität ist die Entwicklung von ganztägigen Lernformen. Nach seiner Erfahrung hemmt die Ganztagsschule nicht das Familienleben, wie manche befürchten, die ihre Kinder lieber am Nachmittag daheim haben, sondern - etwas überraschend - ganz im Gegenteil, so Holtappels: Selbst bei den Intensivnutzern der Ganztagsschule gebe es keine Beeinträchtigung des Familienklimas oder der Aktivitäten der Eltern mit den Kindern. Eher noch gebe es positive Veränderungen, vor allem weil die Eltern dem Beruf nachgehen und damit eine wirtschaftliche Basis schaffen könnten.

Nachmittag nicht verschenken

In Österreich werden 90 Prozent der derzeit existierenden Ganztagsschulen nicht verschränkt geführt, das heißt nur vormittags Unterricht, aber betreutes Verweilen in der Schule auch am Nachmittag. Das sei zwar etwas veraltet, sagt Heinz Günter Holtappels, es sei jedenfalls wichtig, "dass wir nicht die Nachmittagszeit verschenken für jene Schüler, die zusätzliche Lerngelegenheiten benötigen." Daher sollte es eine aktive Lernzeit sein.

Neue Lernformen

Ganztägiger Unterricht müsse sich jedenfalls anders als der herkömmliche abspielen - mit Zusammenarbeit von Lehrern, Erziehern, und Schulpädagogen. Damit ergäben sich ganz neue Lernformen wie Projektlernen, Erkundung, Werkstattlernen - was viele Lehrkräfte in der Ausbildung früher nicht mitbekommen hätten. "Aber wir sind ja in den letzten 20, 30 Jahren weitergekommen."

Bei der Lehrerausbildung ist Günter Holtappels übrigens zwar für die von der österreichischen Regierung nun initiierte gemeinsame Form, aber mit starker innerer Differenzierung : Lehrkräfte für Höhere Schulen müssten nach wie vor mit anderen Schwerpunkten ausgebildet werden, als ihre Kollegenschaft an den Pflichtschulen, so der Experte.