Chris Bangle: "Design & Humanism"
Auch Autodesigner müssen auf die Wirtschaftskrise reagieren und neue Strategien entwickeln. Der Amerikaner Chris Bangle war knapp zwanzig Jahre lang Chefdesigner bei BMW. Heute Abend ist er in Wien zu Gast und hält einen Vortrag an der Universität für Angewandte Kunst.
8. April 2017, 21:58

Chris Bangle und sein - bereits abgemilderter - "Bangle Butt"
(c) Chris Bangle Associates / ORF
Morgenjournal, 22.4.2013
Sicherheit im Straßenverkehr und Umweltverträglichkeit - diese Ansprüche an Autos werden immer wichtiger. Ein weiterer wichtiger Faktor, den Designer berücksichtigen müssen: das Auto ist als Statussymbol nicht mehr so wichtig, wie noch vor ein paar Jahren. In Industriegesellschaften definiert man sich heute eher über mobile Kommunikationsgeräte in der Hosentasche, als über Benzinschlucker in der Garage.
Zukunftsorientierung ist ein Muss
"Designer sind vor eine schwierige Aufgabe gestellt: Wenn der emotionale Bezug zum Auto abhanden gekommen ist, wie kann man diesen durch Design herstellen?", fragt sich Designer Chris Bangle, um auch gleich die Antwort zu geben: "Oft greifen Autodesigner dann auf das Repertoire der Vergangenheit zurück, in der Annahme, dass die Menschen vertraute Formen eher annehmen. Ich halte den Retro-Trend für eine Fehlentwicklung - Autodesign muss auf die Zukunft ausgerichtet sein, um in der Gegenwart relevant zu sein."
Chris Bangle hat für Opel und Fiat entworfen. Knapp zwanzig Jahre lang war er Chefdesigner bei BMW und gestaltete - zum Teil von Autofans kritisierte - Modelle. Besonders umstritten war das 2001 vorgestellte BMW 7er-Modell mit der auffälligen Heckausformung, die als „Bangle Butt“ verspottet wurde. BMW-Liebhaber forderten den Rücktritt des Designers.
Der beste Blick nach vorn
Chris Bangle dazu rückblickend: "Wir hatten nicht die Absicht, mit unserem Design zu provozieren. Während der Anfeindungen wurden wir von der Geschäftsführung durchwegs unterstützt, und schließlich wurde das Modell zu einem großen Erfolg. Andere Hersteller orientierten sich an unseren Lösungen, und der Wagen verkaufte sich gut. Ich vergleiche meine Position gerne mit der des Leithundes vor einem Schlittengespann: der Vorderste bekommt den meisten Schnee ab, dafür hat er die beste Aussicht. Auch in unserer Branche ist es so: Führerschaft ist nicht immer angenehm, aber man hat von der Spitze den besten Blick."
Vor vier Jahren legte Chris Bangle seine Funktion als BMW-Designer zurück und gründete eine kleine Design- und Consulting Firma mit dem Namen Chris Bangle Associates. Mit einem Dutzend Mitarbeitern entwickelt er im Firmensitz in Norditalien Produkte.
Ein Anliegen ist ihm, die Hierarchien im Designprozess aufzulockern: "Ich habe gelernt, loszulassen. Meinen Mitarbeitern und den Handwerkern erkläre ich nur in etwa die Richtung, aber ich lege nicht jedes Detail des Produkts fest und kritisiere dann, wenn etwas nicht den Vorgaben entspricht. Meine Mitarbeiter sind also nicht nur Ausführende meiner Idee, sondern sie entwickeln die Idee mit. Sie sind Teil des kreativen Prozesses."
Über seinen Zugang zu Design und Arbeitsteilung berichtet Chris Bangle heute um 19 Uhr in der Universität für Angewandte Kunst, im Rahmen seines Vortrags zum Thema "Design und Humanismus".