Lehre aus Boston: Leben mit politischer Gewalt

Wie werden die USA mit den Erfahrungen aus dem Terror von Boston umgehen? Und welche Lehren müssen die Behörden aus dem Fall ziehen, in dem es zumindest eine konkrete Vorwarnung gegeben hat? Die Amerikaner werden damit leben müssen, dass es politische Gewalt gibt, sagt Charles King Mallory von der US-Denkwerkstatt Aspen Institute in Berlin.

Frau in Boston

(c) LANE, EPA

Mittagsjournal, 22.4.2013

Charles King Mallory, Leiter des Aspen Institute in Deutschland, im Gespräch mit Peter Fritz

Lücken im Radarschirm

Nach dem Bostoner Attentat sind für Mallory weiterhin viele Fragen offen, vor allem, ob es eine Alleingang war, oder eine organisierte Operation. Auch die Bundespolizei FBI habe Erklärungsbedarf, warum sie nach dem Verhör des Älteren der beiden Verdächtigen, Tamerlan Zarnajew, nicht weiter ermittelt hat. Es sei aber eine Taktik der Terroristen, "möglichst viele falsche Positive auf dem Radarschirm der Behörden zu generieren, mit dem Ergebnis, dass die Behörden ihre Kräfte streuen müssen und dann ab und zu eine Großoperation unter dem Radarschirm durchgeschleust werden kann."

Kein Rückschlag für Zuwanderung

Es gibt Befürchtungen, die laufende Diskussion über ein liberaleres Einwanderungsrecht in den USA könnte durch die Ereignisse von Boston einen Rückschlag erleiden. Doch Mallory glaubt nicht daran: Zwar gebe es Leute in den USA, die versuchten, den Anschlag in diesem Sinn auszunützen. Aber sie blieben in der Minderheit, denn die Einwanderer seien die Stärke der USA. Und die überwiegende Mehrheit der Amerikaner werde es nicht unterstützen, jetzt allen Immigranten einen Makel anzuheften und sie nicht mehr ins Land zu lassen.

Ein Krieg, der nie endet

Nach dem 11. September 2001 hat George Bush den Krieg gegen den Terror ausgerufen - ein Krieg, von dem man nie sagen kann, ob man ihn gewonnen hat. Auch Mallory sieht das sehr skeptisch: "Ich war nie über diesen Begriff glücklich. Wenn man einen Krieg in Washington erklärt, verliert man ihn meistens: den Krieg gegen Drogen, den Krieg gegen Krebs - die dauern dann dreißig Jahre und es wird nie ein Schlussstrich darunter gezogen." Ähnlich sei das beim Terror, so Mallory - politische Gewalt werde es immer geben. Die Al-Kaida-Zentrale in Pakistan sei zwar ausgeschaltet, aber es gebe Ableger ("Franchises") der Al Kaida, die mehr oder weniger unabhängig agieren. Und dann gebe es "einsame Wölfe". Und die Frage sei, ob die Zarnajew-Brüder einsame Wölfe sind, die auf Eigeninitiative agieren. "Die amerikanische Bevölkerung lernt, damit zurecht zu kommen, dass es immer ein Hintergrundniveau dieser Gewalt geben wird", schließt Mallory.