Bibelkommentar zu Johannes 13, 31 – 33a. 34 - 35
Als Judas hinausgegangen war, sagte Jesus: Jetzt ist der Menschensohn verherrlicht, und Gott ist in ihm verherrlicht. Wenn Gott in ihm verherrlicht ist, wird auch Gott ihn in sich verherrlichen, und er wird ihn bald verherrlichen.
8. Mai 2013, 18:03
. Meine Kinder, ich bin nur noch kurze Zeit bei euch. Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt.
Meine Schwester hat knapp vor ihrem Tod ihren Beichtvater gefragt, wie er sich den Himmel vorstellt. "Dort ist es hell und Jesus und alle, die Du geliebt hast, kommen Dir mit Liebe entgegen." - so hat er ihr geantwortet. Ja, voller Licht und voller Liebe: so stelle auch ich mir die Gegenwart Gottes vor. Denn dass Gott herrlich ist, glänzendes strahlendes Licht, und dass Gott die Liebe ist und uns Menschen wirklich ewig liebt - das gehört beides zum Kern meines christlichen Glaubens.
In der kurzen Stelle aus dem Johannesevangelium finde ich beides angesprochen. Vom Verherrlichen ist da die Rede und vom Lieben.
Herrlichkeit, herrlich - wie so manche Worte aus dem religiösen Sprachschatz klingen auch diese etwas altmodisch und kommen in der heutigen Alltagssprache kaum mehr vor. Und weil der Herr darin anzuklingen scheint, verleiten sie dazu, sich Gott als einen vornehmen patriarchalen Herrscher vorzustellen - oder eben dieser Vorstellung wegen den biblischen Gott abzulehnen. Dabei steckt in dem Wort "herrlich" eine uralte Wortwurzel, die "glänzen und strahlen" bedeutet - wie etwa ein klarer, heiterer Himmel. Wenn gesagt wird, jemand habe "hehre" Ziele, dann klingt diese ursprüngliche Bedeutung als "beeindruckend" und "großartig" noch nach. Daher ist "Herrlichkeit" durchaus ein richtiges deutsches Wort - zumindest gewesen - für die Pracht und das helle Strahlen Gottes, von dem die Bibel erzählt.
Nach diesem Ausflug in die Geschichte der Wortbedeutungen höre ich diese rätselhaften Sätze aus der Evangelienstelle neu: Dass Gott und Jesus einander in sich "verherrlichen", wird mir zugänglicher, wenn ich dabei höre, dass einer den Glanz des anderen in sich und durch sich selbst zum Leuchten bringt. So hört es sich für mich wie Liebeslyrik an: Einer strahlt im anderen auf, in der gegenseitigen Liebe leuchten und glänzen die Liebenden. So höre ich in diesen Worten von einem Liebestanz zwischen Jesus, dem menschgewordenen Gott, und dem Schöpfer, den er seinen Vater nennt - es ist ein Tanz der Liebe, der sich in Gott abspielt. Die christliche Theologie hat versucht, das mit der Rede von der "Dreieinigkeit Gottes" auf den Begriff zu bringen: Gott ist demnach kein einsamer Herr, sondern in sich Beziehung und Dynamik; eben Liebe.
Und das, was schnell einmal nach abgehobener Spekulation oder unverständlicher Mystik klingt, wird auf einmal ganz handfest und bekommt mit mir zu tun, wenn Jesus es im nächsten Satz in den Zuspruch wendet: Liebt einander! - Klar ist das eine Idealforderung, an der ich wohl genauso scheitere wie viele Christen, Christinnen und andere Menschen durch die Jahrhunderte. Für mich ist das aber ebenso eine großartige Zusage: Jesus, in dem die Liebe Gottes strahlt, will genau das auch für alle, die zu ihm gehören. Sie sollen den prachtvollen Glanz, den Gott in jeden und jede hineingelegt hat, erkennen und hervorlieben, ihn in einander zum Leuchten bringen.
Wo das im Staub des Alltags zumindest ein wenig gelingt, womöglich sogar mit Menschen, die mir nicht auf den ersten Blick sympathisch sind - dort erlebe ich ein Stück Himmel auf Erden; und andere können vielleicht daran erkennen, wie herrlich es sein kann, zu Christus zu gehören und auf ein ewiges Leben in seinem Glanz zu hoffen.