Italien: Letta wirbt bei EU für neuen Kurs

Der neue Ministerpräsident Italiens, Enrico Letta geht bereits heute auf Europatournee, um sich den Regierungschefs in Berlin und Paris sowie der EU-Spitze in Brüssel mit seiner Vision einer politischen Union zu präsentieren. Letta hat gestern vom Abgeordnetenhaus das Vertrauen ausgesprochen bekommen, die Zustimmung des Senats gilt nur noch als Formalakt.

Enrico Letta

Enrico Letta

(c) Ferrari, EPA

Morgenjournal, 30.4.2013

Grillo und SEL dagegen

Einen Tag nach der Vereidigung stimmte die Abgeordnetenkammer mit einer klaren Mehrheit für die neue Regierung. 453 Abgeordnete sagten ja, 153 votierten dagegen. 17 Abgeordnete enthielten sich der Stimme. Das neue Kabinett erhielt das Vertrauen von Lettas "Demokratischer Partei" (PD), vom rechtskonservativen "Volk der Freiheit" (PdL) um Medienzaren Silvio Berlusconi und vom Zentrumsblock um Ex-Premier Mario Monti. Die Protestbewegung "Fünf Sterne" um den Starkomiker Beppe Grillo und die Linkspartei SEL stimmten dagegen. Die Lega Nord enthielt sich der Stimme. Am Dienstag unterzieht sich Letta der Vertrauensabstimmung im Senat. Danach kann die Regierung ihren Kurs aufnehmen.

"Sparen allein tötet"

Vor der Vertrauensabstimmung hatte der 46-jährige Letta der Abgeordnetenkammer sein Regierungsprogramm vorgestellt. Er will sich demnach für Wirtschaftswachstum in Italien einsetzen und den Steuerdruck reduzieren. "Sparpolitik alleine tötet Italien", warnte der neue Regierungschef. Das Land könne nicht mehr länger auf Wachstumsmaßnahmen warten. Zu viele Familien und Unternehmen seien verzweifelt, meinte Letta. Ohne Wachstum und Zusammenhalt sei Italien verloren. "Italien liegt durch den Irrtum der reinen Austerität im Sterben", sagte Letta vor den italienischen Abgeordneten. Seine Regierung werde es sich zur Aufgabe machen, den "Steuerdruck zu verringern", ohne neue Schulden zu machen. Dabei denke er auch an Formen von Mindesteinkommen für einkommensschwache Familie mit Kleinkindern.

Heute in Berlin

Auf internationaler Ebene werde sich Italien um eine Auflockerung der Sparmaßnahmen bemühen, die Regierung in Rom werde sich jedoch nach wie vor für ein vereintes Europa einsetzen. "Europa kann wieder Motor einer nachhaltigen Entwicklung werden, wenn es sich öffnet. Wenn wir nicht zusammenhalten, sind wir alle verloren, im Norden sowie im Süden des Kontinents", warnte Letta. Er plane demnächst Besuche in Brüssel, Berlin und Paris um zu beweisen, dass die italienische Regierung ein stark europafreundliches Kabinett sei. Schon heute wird Letta die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin besuchen. Europa müsse föderal sein, ohne eine politische Union habe die EU keine Zukunft, wie die bisherige Krise bewiesen habe, sagte Letta. Brüssel erlebe eine "Legitimitätskrise".

Grillo: Lettas Onkel ist Berlusconi-Freund

Bei der Diskussion nach der Vorstellung von Lettas Regierungsprogramm sorgte Grillos "Fünf Sterne"-Bewegung für einen Eklat. Sie warf Letta "familiäre Verstrickungen" vor, da sein Onkel Gianni Letta, langjähriger Staatssekretär und graue Eminenz der Berlusconi-Regierungen, ein Vertrauensmann des Medienzaren sei. Die Worte des Grillo-Parlamentariers Andrea Colletti lösten Protesten aus den Reihen der Berlusconi-Deputierten aus.

Staatspräsident Giorgio Napolitano hatte am Sonntag die neue Regierung vereidigt. Dem neuen Kabinett gehören 21 Minister an, darunter sieben Frauen. Vor der Bildung der Regierung hatten die Parteien zwei Monate lang erfolglos um ein neues Kabinett verhandelt.