"Amtsgeheimnis": Keine Daten über Pestizideinsatz
Um für Bienen schädliche Pestizide tobt ein Koalitionsstreit. Die SPÖ will den Koalitionszwang aufheben, um ein Verbot in freier Abstimmung durchsetzen zu können, die Opposition fordert den Rücktritt von Umweltminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP). Und jetzt will dessen Ressort nicht preisgeben, wieviel von dem Gift jedes Jahr in die Umwelt kommt. Man beruft sich auf die Amtsverschwiegenheit.
8. April 2017, 21:58
(c) Pleul, DPA
Morgenjournal, 3.5.2013
"Freibrief für Chemieindustrie"
Neonicotinoide seien tausendmal giftiger als das berüchtigte Pflanzenschutzmittel DDT, das in den meisten Ländern seit Jahrzehnten verboten ist, sagt der Bienenforscher Stefan Mandl. Was liegt also näher als die Frage, wie groß die Menge dieser Pestizide ist, die Jahr für Jahr auf die Felder ausgebracht wird. Doch eine offizielle Antwort bekommt man darauf nicht, obwohl Hersteller und Händler die Daten dem Bundesamt für Ernährungssicherheit penibel melden müssen. Das Bundesamt hat sich in einer schriftlichen Stellungnahme an das Parlament im Vorjahr auf den Datenschutz berufen, aber nicht nur das. Auch die Amtsverschwiegenheit wird ins Treffen geführt, was der Agrarsprecher der Grünen, Wolfgang Pirklhuber, scharf kritisiert: "Den Bauern und Bäuerinnen nötigt man alle möglichen Informationen ab, von den Ohrmarken der Tiere angefangen bis zu jedem Liter Milch, den sie direkt vermarkten. Aber die chemische Industrie hat einen Freibrief in Österreich Wirkstoffe in Verkehr zu bringen, ohne dass die Öffentlichkeit informiert wird, wie viel diese Wirkstoffe ausmachen und wie es konkret in der Anwendung aussieht."
Geschätzt: Zehn Tonnen Gift
Umweltinformation versus Geschäftsinteressen - für das Bundesamt für Ernährungssicherheit ist die Entscheidung klar. Zitat aus dem Schreiben ans Parlament: "Bei Abwägung des Interesses an der Geheimhaltung und jenes auf Auskunft überwiegt das Interesse der Meldepflichtigen an der Geheimhaltung der Informationen." Und das gelte auch für alle Daten, die dem Parlament übermittelt worden sind. Ein Maulkorb also auch für die Abgeordneten - obwohl auf EU-Ebene schon einer Veröffentlichungspflicht für solche Umweltinformationen auf dem Weg ist. Der Grüne Wolfgang Pirklhuber nennt deshalb eine nicht auf konkrete Hersteller bezogene Zahl, die sich ihm aus den Beratungen im Parlament erschlossen hat: "In Summe sind im Jahr 2011 etwa zehn Tonnen dieser Neonicotinoide in Verkehr gebracht worden. Zehn Tonnen dieser Gifte, von denen wir inzwischen wissen, dass sie hochtoxisch sind, dass sie ähnlich wirken wie krebserregende Stoffe, dass sie auf Amphibien, auf Wasserlebewesen ganz hohe Wirkung haben und dass sie selbstverständlich die Bienen massiv schädigen und töten können."
Datenschutz und Amtsverschwiegenheit
Zehn Tonnen hochgiftige Pestizide pro Jahr - eine Zahl, die das Bundesamt für Ernährungssicherheit nicht bestätigen will. Dort gibt man zum Thema derzeit überhaupt keine Stellungnahmen ab. Auch der für Pflanzenschutz zuständige Referatsleiter im Landwirtschaftsministerium verweist auf Datenschutz und Amtsverschwiegenheit. Ebenso die Pressestelle des Ministeriums, wo man keine Zahl nennen will, dafür aber betont, dass die eingesetzte Pestizidmenge zuletzt deutlich reduziert worden sei.