Experte: Untreuevorwurf gegen Ministerium zu Recht

Der Rechnungshof kritisiert, dass der vom ÖVP-geführten Innenministerium kontrollierte Wiener Stadterweiterungsfonds teils satzungswidrig und rechtswidrig öffentliche Gelder als Spenden verteilt habe. Ein renommierter Strafrechtsprofessor hält nun den in einer Anzeige erhobenen Vorwurf der Untreue für gerechtfertigt.

Mittagsjournal, 11.6.2013

Innenministerium

(c) FOHRINGER, APA

Kirche statt Ringstraße

Die Aufgabe des Wiener Stadterweiterungsfonds war laut seiner Satzung bis ins Jahr 2009 "die Erweiterung der Inneren Stadt Wiens und eine entsprechende Verbindung zu den Vorstädten - unter Berücksichtigung einer Regulierung und Verschönerung der Stadt". So steht es im Rechnungshofbericht. Erreicht werden sollte das Ziel durch verschönernde Bautätigkeit - das war der Wille des Fondsgründers Kaiser Franz Josef vor rund 150 Jahren. Längst war inzwischen das Innenministerium der Republik zuständig für diese wichtige staatliche Aufgabe. Allerdings war sie durch Ringstraßenbauten weitgehend erfüllt.

Dennoch kritisiert der Rechnungshof, es seien satzungswidrig 916.000 Euro gespendet worden - etwa an eine Diözese, eine Ordensgemeinschaft, ein Kinderdorf in der Ukraine und einen privaten Verein. Dabei hätte der Fonds bis 2009 nur Bauprojekte in Wien fördern dürfen, meint der Innsbrucker Strafrechtsprofessor Klaus Schwaighofer: "Das kann durchaus den Vorwurf der Untreue rechtfertigen. Im Jahr 2008, also noch vor der Satzungsänderung, ist offensichtlich satzungswidrig einiges Geld gespendet worden, was mit Bauprojekten gar nichts zu tun hat."

Schwaighofer sieht sogar so etwas wie ein nachträgliches Schuldeingeständnis der Fondsverantwortlichen: "In dem Fall scheint es so zu sein, dass man 2009 kalte Füße bekommen hat-- und hat das deswegen schnell geändert."

"Demokratiepolitischer Skandal"

Der Rechnungshof hat seinen Bericht routinemäßig der Staatsanwaltschaft geschickt. Dazu kommt eine anonyme Anzeige an die Korruptionsstaatsanwaltschaft. Die hat sie weitergeleitet an die Staatsanwaltschaft Wien, weil die für den Vorwurf der Untreue zuständig sei. Diese anonyme Anzeige hat auch die Plattform gegen Kirchenprivilegien erhalten. Ihr Sprecher Christian Fiala sagt über Anzeige und Rechnungshofbericht: Das zeige ganz deutlich, dass die Trennung von Kirche und Staat nicht vollzogen sei. "Es fließen Unsummen von Steuergeld an religiöse Institutionen, vornehmlich an die katholische Kirche."

Als demokratiepolitischen Skandal bezeichnet Fiala, dass die im Kuratorium des Stadterweiterungsfonds verantwortlichen Sektionschefs Vogl und Einzinger sowie der stellvertretende Kabinettschef Karl Hutter von der katholischen Kirche in Anwesenheit der Ministerin mit päpstlichen Orden ausgezeichnet wurden.