Präsidentenwahl im Iran hat begonnen

Nach acht Jahren an der Macht muss sich der umstrittene iranische Präsident Ahmadinedschad zurückziehen: Heute wird sein Nachfolger gewählt. Die Führung der Islamischen Republik schloss den engsten Gefolgsmann Ahmadinedschads ebenso von der Wahl aus wie Ex-Präsident Rafsanjani, der als Hoffnungsträger der Reformer gegolten hatte. Trotzdem kam am Ende Bewegung in den Wahlkampf.

Morgenjournal, 14.6.2013

Laute Rouhani-Anhänger

Sechs konservative Kandidaten stehen heute im Iran zur Auswahl. Alle haben den Segen des geistlichen Führers Ayatollah Khamenei, sonst dürften sie gar nicht antreten. Aber der Unterschied zwischen seinen loyalen und den sehr loyalen Gefolgsmännern, dieser kleine Unterschied hat in den letzten Tagen allein in Teheran Tausende auf die Straßen gebracht.
Vor allem die größtenteils jungen Anhänger des Mullahs Hassan Rouhani waren in den vergangenen Nächten nicht zu überhören. Hupend, singend und tanzend strömten sie durch die Straßen von Nord-Teheran. Der Geistliche, der als gemäßigt und weltoffen gilt, erscheint vielen Gegnern des Regimes als das geringste Übel. Vor allem weil er ganz offenkundig nicht der Lieblingskandidat der Machtelite ist.

Rouhanis sichtbare Anhänger kommen aus der Mittelschicht. Sie outen sich auf der Straße mit lilafarbenen Bändern oder Kleidungsstücken – und erinnern damit an die grüne Reformbewegung vor vier Jahren und den massiven Wahlbetrug, mit dem ihre damaligen Hoffnungen auf demokratische Reformen zunichte gemacht wurden.

Unterschiedliche Erwartungen

Doch auch auf der Gegenseite sind viele junge Leute. Die Kundgebungen des chancenreichen konservativen Kandidaten Saaed Dschalili waren von Mitgliedern der Basic-Milizen überfüllt, jener paramilitärischen Einheit, die vor vier Jahren die grüne Bewegung niedergeknüppelt hatte. Dschalilis Anhänger stammen eher aus dem ärmeren Teil der Bevölkerung. Sie sind überzeugt, dass ihr Land von Feinden umzingelt ist. Und sie sind bereit, stundenlang unermüdlich "Nieder mit den USA" und "Nieder mit Israel" zu rufen.

Obwohl keiner der Kandidaten das System der Islamischen Republik in Frage stellt, sind in diesem Wahlkampf also doch verschiedene Kulturen aufeinander geprallt. Ebenso unterschiedlich sind die Erwartungen an diese Wahl.

Zweifel an Fairness

Die Anhänger der Reformbewegung bezweifeln, dass es bei der Auszählung fair zugehen wird, wollen sich aber die Chance nicht entgehen lassen, ein kräftiges Lebenszeichen zu setzen. Die konservativeren Iraner sind bereit, die Wahl als ein Vertrauensvotum für den Obersten Führer zu sehen. Auch wenn die Kandidaten, die ihnen politisch nahe stehen, nicht das Zeug haben, die Massen anzusprechen, wie das etwa der scheidende Präsident Ahmadinedschad bei seinem ersten Wahlkampf getan hatte. Am ehesten kommt an ihn der jetzige Teheraner Bürgermeister Galibaf heran, ein weiterer aussichtsreicher Kandidat. Er ist in der Hauptstadt beliebt und verspricht, die Lebensbedingungen der Iraner trotz der internationalen Sanktionen deutlich zu verbessern. Wie weit er andere Teile des Landes ansprechen kann, ist aber ungewiss.

Ob Rouhani gewinnt, der Favorit der Reformer, der Ultrakonservative Dschalili oder der Technokrat Ghalibaf - Jeder von ihnen wird sich mit dem Obersten Führer arrangieren müssen. Denn die vom Volk gewählten Politiker müssen sich ihre Macht mit einer religiösen Parallelregierung teilen, die nur sich selbst verantwortlich ist. Aber wer immer das Rennen macht – keiner von ihnen dürfte die internationale Gemeinschaft so vor den Kopf stoßen, wie das Ahmadinedschad getan hat. Und das allein könnte dafür sorgen, dass für den Iran heute doch ein neues Kapitel beginnt.