Entspannung China - Tibet?
Erstmals seit 17 Jahren hat China das Verbot von Bildern des Dalai Lamas in tibetischen Gebieten versuchsweise gelockert. Das im indischen Exil lebende Oberhaupt der Tibeter soll als Religionsführer wieder verehrt werden dürfen, wenngleich nicht als politischer Anführer, hieß es - offenbar als Reaktion auf eine Welle von Selbstverbrennungen von Tibetern, die damit gegen Unterdrückung ihres Volkes durch China protestieren wollten.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 28.6.2013
Pragmatische Politik
"Überraschend" - das ist das Wort, das man im Zusammenhang mit den jüngsten Entwicklungen von Tibet Experten am öftesten hört. Überraschend sei, dass die Kommunistische Partei gerade bei ihrem größten Hassobjekt, dem Dalai Lama, jetzt offenbar einen Schwenk vollzieht, sagt Klemens Ludwig, Tibet-Experte und Buchautor.
Was aber nicht heißt, dass China in Bezug auf Tibet grundsätzlich jetzt anders denken würde. Mehr Autonomie oder ähnliches sei nicht in Reichweite. Aber die Politik in China ist oft sehr pragmatisch: Soll heißen, man bleibt nicht stur, wenn sich ein Problem gar nicht lösen lässt. Und so versucht man es offenbar mit Zuckerbrot und Peitsche. Denn auf der anderen Seite wird die zwangsweise Sesshaftmachung der Nomaden weiter betrieben, wird die Altstadt von Lhasa radikal modernisiert und dabei werden Kulturgüter zerstört.
Politkalkül oder alte Verbundenheit
Doch das Problem Tibet schwelt weiter. 120 Mönche haben sich in den vergangenen Jahren als Protest gegen China selbst verbrannt. Die neue Führung in Peking versucht möglicherweise das Problem Tibet noch zu Lebzeiten des jetzigen Dalai Lamas zu lösen, so Klemens Ludwig. Denn nach seinem Ableben wäre eher eine Radikalisierung zu erwarten.
Es könnte auch noch ein ganz anderer Aspekt eine Rolle gespielt haben. Der Vater von Chinas neuem Präsidenten - selbst hoher KP Funktionär - den Dalai Lama mehrmals getroffen und ein fast freundschaftliches Verhältnis zu ihm gehabt, weiß Klemens Ludwig. Und traditionelle Familienhierarchien spielten in China eine große Rolle.
Dass also jetzt auch wieder große Bilder vom Dalai Lama in der Öffentlichkeit in Tibet gezeigt werden dürfen - sei eine bemerkenswerte Entwicklung, so der Experte. Zu viel dürfe man aber nicht hineininterpretieren - denn Chinas Führung gibt nie Positionen auf, ohne etwas dafür zu bekommen. Und so könnte der Assimilationsdruck in Tibet noch weiter steigen.