Ägypten: Interimspräsident will Neuwahl

Übergangspräsident Adli Mansur hat in der Nacht einen neuen Fahrplan für die politische Zukunft Ägyptens angekündigt. Er sieht die Ausarbeitung einer neuen Verfassung und eine rasche Neuwahl vor. Ob das zur wesentlichen Beruhigung der Lage beiträgt, bleibt aber fraglich. Denn die Muslimbruderschaft will mit dem Druck der Straße ihren gestürzten Präsidenten Mursi wieder einsetzen.

Adil Mansur

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Morgenjournal, 9.7.2013

Neue Verfassung, dann Wahl

Die Wahl soll abgehalten werden, sobald Änderungen an der ausgesetzten Verfassung durch ein Referendum bestätigt wurden. Diese Änderungen sollen in den kommenden viereinhalb Monaten erarbeitet sein. Nach dem Zusammentreten des neuen Parlaments sollte auch eine Präsidentenwahl stattfinden, heißt es in dem Dekret weiter. Die im Dezember in Kraft getretene islamistisch geprägte Verfassung war vergangene Woche mit dem Sturz des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi ausgesetzt worden.

Mansour verfügte Berichten zufolge, dass binnen zwei Wochen ein Verfassungsausschuss gebildet werde, der zwei Monate Zeit für die Ausarbeitung von Verfassungsänderungen habe. Der Übergangspräsident werde diesen Entwurf dann binnen eines Monats der Bevölkerung in einem Referendum zur Abstimmung vorlegen. Anschließend würden binnen zwei Monaten die Parlamentswahlen abgehalten. Danach werde ein Termin für die Wahl eines neuen Staatschefs festgesetzt.

Aufruf zu "Aufstand"

Die Armeeführung hatte am Mittwoch Mursi nach tagelangen Massenprotesten abgesetzt und den obersten Verfassungsrichter Mansour zum Übergangspräsidenten gemacht. Nach Mursis Entmachtung ist die ägyptische Gesellschaft tiefer gespalten denn je seit dem Sturz von Langzeit-Machthaber Hosni Mubarak. Am Montag wurden bei Zusammenstößen zwischen Mursi-Anhängern und ägyptischen Sicherheitskräften in Kairo nach Angaben von Rettungskräften 51 Menschen getötet und mehr als 400 weitere verletzt. Die Partei der Muslimbruderschaft, aus der Mursi hervorgegangen war, rief daher zu einem "Aufstand des ägyptischen Volkes" auf. Mursis Anhänger haben schon für den heutigen Dienstag weitere Proteste angekündigt. Alle Ägypter im ganzen Land seien aufgerufen, auf die Straße zu ziehen und gegen den Militärputsch und das jüngste Massaker vor dem Hauptquartier der Republikanischen Garde zu protestieren, sagte der Sprecher eines von den Muslimbrüdern angeführten Bündnisses am Montagabend.

Internationale Besorgnis

Die Europäische Union und die USA äußerten sich besorgt. Das Außenministerium in Washington forderte vom ägyptischen Militär "maximale Zurückhaltung" im Umgang mit Demonstranten. Ein Sprecher von Präsident Barack Obama erklärte, die US-Regierung prüfe derzeit noch, ob Mursis Entmachtung durch das Militär als Putsch einzustufen sei. In diesem Fall müssten die USA ihre umfangreichen Rüstungshilfen an Ägypten stoppen. (Text: APA)

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