Proteste: Investoren meiden Türkei

In der Türkei scheint die Protestbewegung gegen Ministerpräsident Erdogan zwar fürs Erste abgeebt, doch die Folgen des wochenlangen Konflikts auf die türkische Wirtzschaft werden erst jetzt spürbar. Die Vorgangsweise der türkischen Regierung habe viele ausländische Investoren verunsichert.

Mittagsjournal, 13.7.2013

Kapital abgezogen

Auch wenn der Türkei-Tourismus sich bald wieder erholen sollte, so bleiben ausländische Investoren doch verunsichert, sagen türkische Bankiers. Das trifft ein aufstrebendes Land wie die Türkei besonders, weil es bereits vor den Gezi-Park-Protesten schwer gewesen war, ausländisches Kapital anzulocken – wegen der steigenden Zinsen in den USA. "Im Mai, also noch vor Beginn der Proteste im Gezi Park, war bereits kaum mehr ausländisches Kapital in die Türkei gekommen", sagt der Nationalökonom Ahmet Tonak. "Im April waren es noch acht Milliarden Dollar gewesen. Das kam zum Stillstand. Und seit dem Gezi-Konflikt kam nicht nur kein frisches Geld mehr herein, sondern es wurde massiv Kapital aus der Türkei abgezogen."

Alles Chefsache

Auch wenn es noch zu früh sei, um von einem bleibenden Effekt zu sprechen, so stehe doch eines fest. Die Art und Weise wie die AKP-Regierung auf eine weitgehend gemäßigte Bürgerbewegung reagiert hat, lasse bei vielen Partnern der Türkei Zweifel darüber aufkommen, wie berechenbar das Land sei, meint Ahmet Tonak: "Bei der AKP handelt es sich um ein autoritäres Führungsmodell, was vernünftige Entscheidungen schwierig macht. Sogar kleine lokale Projekte müssen von Erdogan abgesegnet werden."

Dass in der Türkei alles gleich zur Chefsache wird, hat internationale Investoren bis vor kurzem allerdings kaum gestört. Das ändert sich, wenn diese einsamen Entscheidungen regelmäßig zu Konflikten führen.

Rundumschläge gegen Banken

Doch nicht nur die Bilder von Protesten und Zusammenstößen auf der Straße haben das Image der Türkei angekratzt. Es waren vor allem Erdogans Rundumschläge gegen inländische und ausländische Banken, denen er die Schuld an den Protesten gab. Das hat für Verwunderung gesorgt. Denn in den ersten 10 Jahren ihrer Regierung hatte die AKP den Eindruck vermittelt, dass wirtschaftliche Erfolge ihr wichtiger wären als Islamismus. Ahmet Tonak: "Lange Zeit hatte die AKP-Regierung das Ziel die wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben, zu Gunsten einer neuen Aufsteigerschicht. Jetzt ist diese neue islamische Bourgeoisie aber so stark und selbstgewusst geworden, dass sie meint, es mit dem bisherigen, weltlich gesinnten Bürgertum, aufnehmen zu können. Und ich denke, dass sie sich jetzt sogar so stark fühlen, dass sie nicht nur ihre inländischen Rivalen herausfordern können, sondern auch die Weltwirtschaft."


Auch die so selbstbewusste Regierung Erdogan müsse nun schmerzlich zur Kenntnis nehmen, dass sich nicht alles nach Belieben steuern lasse, meint Ahmet Tonak. Das gelte für gesellschaftliche Entwicklungen ebenso wie für internationale Finanzströme.