Prozess: Angst vor Rache Berlusconis
In Rom tritt heute das Oberste Gericht zusammen, um über das Schicksal Silvio Berlusconis zu entscheiden. Er könnte zum ersten Mal in einem seiner zahlreichen Verfahren endgültig rechtskräftig verurteilt werden - ohne weitere Berufungsmöglichkeit. Italiens Politik fürchtet nun, dass Berlusconi aus Rache die Koalitionsregierung stürzen lässt, in der seine Partei Juniorpartner ist.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 30.7.2013
"Ferienrichter" entscheiden
Die Entscheidung mit möglicherweise weitreichenden politischen Folgen für Italien und die ganze Währungsunion liegt in der Hand von fünf "Ferienrichtern". Sie sind trotz der brütenden Sommerhitze hier in Rom für dringende Fälle zuständig. Die Atmosphäre ist angespannt: Zehn Fernsehstationen haben die Erlaubnis erhalten, den Spruch live zu übertragen. Vor dem Justizpalast wurden Sonnenschirme aufgespannt, Kommentatoren und Übertragungswagen stehen bereit.
Der Spruch der Richter könnte schon heute oder morgen fallen - oder es wird auf September vertagt. Es geht um den Fall Mediaset, Berlusconis Medienimperium. Wegen Steuerbetrug ist der Ex-Premier zu vier Jahren Haft verurteilt und mit dem Verbot belegt, in den nächsten fünf Jahren öffentliche Ämter zu bekleiden.
Sollten die Höchstrichter das Urteil bestätigen, muss Berlusconi trotzdem nicht ins Gefängnis . wegen seines fortgeschrittenen Alters. Viel schwerer träfe ihn das Ämterverbot. "Es widerspricht doch allen Regeln der Demokratie", argumentieren Berlusconis Parteifreunde wie Verkehrsminister Lupi. "wenn ein Politiker, der von neun Millionen Italienern gewählt wurde, von einem Gericht einfach von der politischen Bühne ausgeschlossen würde".
Warnung des greisen Präsidenten
Berlusconi selbst gibt sich (noch) als verantwortungsvoller Staatsmann: Er sei überzeugt, vor Gericht Recht zu bekommen und stehe loyal zur Regierung. Doch die Hardliner seiner Partei bereiten ein politisches Erdbeben vor: Vom gemeinsamen Auszug aus dem Parlament und öffentlichen Protesten bis zum Bruch der Koalition ist Rede.
Auch der Koalitionspartner ist gespalten: Will man - wie die Führung der Sozialdemokratien - im Interesse der Stabilität des Landes die Koalition um jeden Preis retten? Oder soll man dem Druck der Basis nachgeben, die ein Bündnis mit einem rechtmäßig verurteilten Steuerhinterzieher nicht hinnehmen will?
Über allem steht die Warnung des greisen Staatspräsidenten Napolitano, die Zukunft der Regierung nicht mit dem persönlichen Schicksal Berlusconis zu verknüpfen. Eine Regierungskrise, sagt Napolitano, würde die Finanzkrise neu anheizen und nicht nur Italien, sondern die gesamte Währungsunion ins Schleudern bringen.