Glanzlose Leichtathletik-WM in Moskau
Sie hätte die glanzvolle Eröffnung des russischen "Jahrzehnts des Sports" sein sollen: die Leichtathletik-WM, die zur Zeit in Moskau stattfindet, gefolgt von den Olympischen Spielen 2014 und der Fußball-WM 2018. Doch bisher ist die Veranstaltung eine Enttäuschung: Die Zuschauer bleiben aus. Und überschattet werden die Spiele von der Diskussion über das russische Anti-Homosexuellen-Gesetz.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 16.8.2013
Sportler unter sich
Gute Stimmung schaut anderes aus. Bei den Wettkämpfen im Moskauer Luschniki-Stadion bleiben die Sportler, Trainer und Journalisten mehr oder weniger unter sich. Die wenigen Zuschauer verlieren sich im riesigen Stadion, in dem bis zu 80.000 Menschen untergebracht werden können. Beim vorläufigen Höhepunkt, dem 100-Meter-Lauf des Jamaikaners Usain Bolt am Sonntagabend waren gerade 40.000 Zuschauer im Stadion. Auch Andreas Vojta, einer von nur zwei österreichischen Teilnehmern an der WM lief vor fast leeren Rängen - "fast wie in Österreich", meint Vojta. London habe die Latte enorm hoch gelegt, und am Vormittag sei das Stadion fast leer, ergänzt Hannes Gruber, Sportdirektor beim österreichischen Leitathletikverband.
Schlechtes Omen für Sotschi
In den Medien wird wild spekuliert: Liegt es daran, dass Mitte August der Höhepunkt der russischen Feriensaison und Moskau halb menschenleer ist? Oder am generellen Desinteresse gegenüber Sport generell und Leichtathletik im Besonderen? An den Preisen kann es nicht liegen. Die billigsten Tickets kosteten im Vorverkauf gerade drei Euro. Werbung gibt es allerdings fast keine: Plakate sind fast nur im unmittelbaren Umfeld des Stadions zu sehen. Kritik in den internationalen Medien gibt es auch an der Organisation: Freiwillige Helfer und Sicherheitskräfte sind für russische Verhältnisse ungewöhnlich freundlich, hin und wieder entwischt einem Polizisten sogar so etwas wie ein Lächeln. Doch das hilft wenig, wenn auf die englischen Fragen der Besucher nur mit einem ungläubig staunenden Blick reagiert werden kann. Kein gutes Omen für die olympischen Spiele in Sotschi.
Boykottaufrufe von Homo-Verbänden
Ein Thema dominiert WM: Das "Verbot der Propaganda für nicht-traditionelle sexuelle Orientierung unter Minderjährigen", wie das Anti-Homosexuellen-Gesetz offiziell heißt. Internationale Homosexuellen-Verbände haben deshalb zum Boykott der Spiele aufgerufen, eine Forderung die der russische Star der Spiele, die Springerin Elena Isinbaeva, scharf zurückweist: "Es tut mir leid, dass sie versuchen, die Sportler in so ein Problem zu verwickeln. Keinem Sportler ist es verboten, nach Sotschi zu kommen, selbst wenn er in einer nicht-traditionellen Beziehung lebt. Aber außerhalb der Wettkämpfe auf der Straße dafür Werbung zu machen, das wäre eine Zeichen von Missachtung gegenüber unseren Bürgern. Denn wir alle sind, von innen heraus dagegen!"
Auch russische Homosexuellenverbände sind gegen einen Boykott, erklärt etwa Nikolay Alexeev von Gayrussia. Die Sportler sollten mit eigenen Augen sehen, was für ein monströses Gesetz in Russland in Kraft sei.