"Zur Lage der Nation"

Hochsteuerland Österreich

42 Prozent beträgt die Abgabenquote in Österreich, also der Anteil der Steuern an der Wirtschaftsleistung. Österreichs Steuerzahler liefern vergleichsweise viel Geld ab, bekommen aber auch viel dafür. Diese beiden Seiten dürften bei einer Diskussion über das Steuersystem nicht getrennt werden, warnen Steuerexperten an österreichischen Universitäten.

Mittagsjournal, 20.8.2013

Relativ hohe Besteuerung der Arbeit

Von jedem Einkauf profitiert auch die Staatskasse. Fast zwölfeinhalb Milliarden Umsatzsteuer waren es heuer im ersten Halbjahr. Bei den Konsumsteuern liegt Österreich nur ganz leicht über dem EU-Schnitt. Im EU-Vergleich deutlich höher besteuert Österreich den Faktor Arbeit. Elf Milliarden an Lohnsteuer hat die Republik heuer eingenommen, und das bei steigenden Arbeitslosenzahlen. Die Erklärung dafür lautet "kalte Progression". Experten fordern schon jahrelang eine Anpassung der Steuerstufen an die Inflation. Doch das sei unrealistisch, sagt Sabine Kirchmayr-Schliesselberger, Vorstand des Instituts für Finanzrecht an der Universität Wien: "Die kalte Progression ist doch das schönste für den Staatshaushalt, eine Steuererhöhung ohne politischen Hickhack."

Nehmen und geben

Drängender werden die Experten, wenn es um eine Reform beim Steuersatz geht. Denn dass Arbeit in Österreich überproportional hoch besteuert ist, geht aus zahlreichen Statistiken, etwa der EU-Kommission, hervor. Heinz Zourek, Chef der Generaldirektion Steuern in Brüssel bei einer Veranstaltung in Wien: Ohne Entlastung des Faktors Arbeit würden die Bemühungen um mehr Beschäftigung im Sande verlaufen. Diese Entlastung müsse aber kostenneutral gemacht werden, also andere Steuern angehoben werden, "die weniger wachstumsfeindlich sind".

Harmlose Worte, die aber politischen Zündstoff bergen. Denn die SPÖ verlangt vehement die Wiedereinführung einer Vermögensbesteuerung. Die ÖVP lehnt sie ebenso vehement ab. Die Experten versuchen zu erklären: Verschiedene Steuern wirken unterschiedlich stark auf das Wachstum. Steuern auf Unternehmensgewinne hätten die schädlichste Wirkung. Am wachstumsfreundlichsten seien Erbschafts- und Schenkungssteuer, bestätigt Schliesselberger eine Studie der OECD aus dem Jahr 2008: "Und Grundsteuer - Grund und Boden - da haben wir noch Luft."

Frage des Wettbewerbs

Österreich sei ein Hochsteuerland, erklärt Michael Tumpel, Vorstand des Instituts für Steuerrecht und Steuermanagement an der Universität Linz: Österreich liege bei der durchschnittlichen Abgabenbelastung auf Arbeit mit 40,8 Prozent im Spitzenfeld - gegenüber Deutschland mit 37,1 Prozent. "Da scheinen wir nicht ganz konkurrenzfähig zu sein", so Tumpel. Auf lange Sicht seinen hohe Steuern auf Arbeit ein Wettbewerbsnachteil.

In den Interessenskonflikt von SPÖ und ÖVP mischen sich die Experten nicht ein. Ihr Arbeitsauftrag an die nächste Bundesregierung lautet "fünf Jahre Diät". Tumpel rät: "Bevor man an eine Gegenfinanzierung denkt, müsste man zuerst bei den Ausgaben ansetzen" und durch Strukturreformen einsparen. Schliesselberger sagt, die Abgabenquote hänge davon ab, wie effizient der Staat sei und wie viele Leistungen er anbiete. Will man die Abgabenquote von derzeit 42 auf unter 40 Prozent senken, müsste man 14 Milliarden Euro einsparen. Das sind fünf Prozent der Wirtschaftsleistung.