"Zur Lage der Nation"

Gesundheitssystem: Gut, aber auch effizient?

Österreich hat ein sehr gutes, aber auch sehr teures Gesundheitssystem. Elf Prozent der heimischen Wirtschaftsleistung werden für die Gesundheitsversorgung ausgegeben, im OECD-Schnitt sind es nur 9,5 Prozent. Daraus zu schließen, teuer sei auch gut und die Österreicher seien die gesündesten Europäer, ist aber falsch. Denn mit den gesunden Lebensjahren liegt Österreich unter dem EU-Schnitt.

Mittagsjournal, 13.8.2013

Zu Viele im Krankenhaus

In Akutfällen, bei Verkehrsunfällen oder Schlaganfällen, funktioniere die Versorgungskette "toll", bei chronischen Erkrankungen gebe es aber "ziemlichen Handlungsbedarf", sagt Georg Ziniel, Gesundheitsökonom und Chef des nationalen Forschungs- und Planungsinstituts "Gesundheit Österreich": Es gebe in Österreich keine definierte Primärversorgung und Nachholbederf in der Prävention.

Für Gesundheit wendet Österreich fast 32 Milliarden Euro oder 3.750 Euro pro Kopf auf. Ein wesentlicher Grund für diese außerordentlich hohen Ausgaben sind die Spitalskosten. 2011 gab es 2,8 Millionen Aufenthalte. Österreich ist Spitzenreiter in Europa. Zu viele Menschen seien im Krankenhaus, sagt Ziniel, und erklärt das mit Abstimmungsmängeln bei den "vorgelagerten Versorgern".

Mehr Vorsorge nötig

Dass die Menschen trotz der hohen Ausgaben nicht gesünder sind, sei eine Folge der Verschwendung und typisch für reiche Länder, erklärt David Evans. Er ist in der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf Direktor der Abteilung Gesundheitsfinanzierung: "Gesundheit hat nicht nur mit Ärzten zu tun. in Österreich wie im Rest Europas ist Gesundheit eine Frage des Lebensstils. Nikotin, Alkohol, fettes Essen, wenig Sport. Da muss man ansetzen." Bis zu 40 Prozent der Gesundheitsausgaben kommen nicht bei den Patienten an oder werden schlicht verschwendet, erklärt der WHO-Experte.

Es mangle an Gesundheitsvorsorge, aber auch an Versorgung außerhalb von Spitälern, stellen auch heimische Experten wie Thomas Czypionka vom Institut für Höhere Studien (IHS) fest. Diese Schwachstellen soll die neue Gesundheitsreform ausmerzen.

Herausforderung Demenz

Zweite und größte Herausforderung für die kommenden Jahre ist die Pflege. Ab 2020 steigt der Anteil der über 65-Jährigen, sagt IHS-Experte Czypionka. Und es sei noch nicht jedem Politiker bewusst, dass es in den nächsten zehn Jahren darum gehe, das Gesundheitssystem so umzubauen, dass es tragfähig bleibt.

Bis zum Alter von 75 Jahren nimmt die Zahl der gesunden Lebensjahre in Österreich zu, ein Ergebnis einer Studie von Gesundheit Österreich, sagt Ziniel. Ab 75 beginne dann die Phase der Fragilität, und da werde Demenz die Herausforderung. "Für den Umgang mit Demenz sind die wenigsten Länder gerüstet, aber speziell Österreich nicht." Denn es mangle bei der Pflege sowohl an Quantität als auch an Qualität.