Experten: Ganztagsschule sollte die Regel sein

Dass derzeit zwei Drittel von Eltern und Lehrern zustimmen müssen, damit ganztägige Schulangebote geschaffen werden, geht Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) zu weit. Die ÖVP verteidigt die Hürde: Eltern und Schüler dürften nicht zwangsverpflichtet werden. Doch Schützenhilfe bekommt die SPÖ jetzt von Experten - auch aus dem ÖVP-Lager.

Mittagsjournal, 31.8.2013

Regina Pöll und Eva Haslinger

"Nicht mehr zeitgemäß"

Dass gleich zwei Drittel der Eltern und Lehrer Ganztagsschulen zustimmen müssen, sei zu viel, das Vetorecht solle schwinden: Das sagen nach SPÖ-Unterrichtsministerin Schmied nicht nur weitere Vertreter der Kanzlerpartei wie etwa Wiens Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl. Sondern auch im ÖVP-Lager findet die Ministerin jetzt Zustimmung. Die Hürden auf dem Weg zu mehr Ganztagsschulen seien viel zu hoch, sagt der frühere ÖVP-Landtagsabgeordnete und Ex-Präsident des steirischen Landesschulrats, Bildungsexperte Bernd Schilcher. Er widerspricht damit etwa ÖVP-Bildungssprecherin Christine Marek. Sie will die starke Mitbestimmung durch Lehrer und Eltern aufrecht erhalten, Eltern und Schüler dürften nicht in ganztägige Schulformen gezwungen werden. Das Abstimmungsmodell sei aber nicht mehr zeitgemäß, sagt Experte Schilcher.

Der Modus, wonach ein Drittel Ganztagsschulen verhindern kann, solle gekippt werden. Ganztägige Angebote sollten die Regel, nicht die Ausnahme sein, so Schilcher. Nur wenn die Eltern wollen, dass die Kinder in eine Halbtagsschule gehen, solle das mit Mehrheit beschlossen werden müssen. Über die Quote könne man diskutieren.

Ganztagsangebot "ohne Nachteil"

Die Ganztagsschule sei der Halbtagsschule in jedem Fall überlegen, sagt auch die Wiener Bildungspsychologin Christiane Spiel von der Universität Wien - Unterricht und Betreuung bis in den Nachmittag wären sinnvoller als Halbtagsschulen. Damit könnten die Kinder länger an einem Thema arbeiten, die Sportstunde am Nachmittag wäre möglich, und die Kinder würden auch bei Hausübungen unterstützt. Auch die Eltern wären damit entlastet, sagt Spiel. Einen Nachteil von ganztägigen Angeboten kann sie nicht feststellen. Dass derzeit ein Drittel der Eltern und Lehrer Ganztagsschulen verhindern kann, hält Spiel daher für fragwürdig.

Politik soll entscheiden

Vollkommen gegen eine Abstimmung durch Eltern und Lehrer ist Daniel Landau, selbst AHS-Lehrer und Obmann der Initiative "Zukunft Bildung": Vielmehr sollte die Politik vorgeben, ob sie ganztägige Angebote will und an wie vielen Schulen. Und wenn doch über Ganztagsschulen abgestimmt werden soll, dann sollten das nicht nur die betroffenen Lehrer und Eltern tun, sondern die gesamte Kommune, so Landau. Denn die Eltern seien nur quasi eine Momentaufnahme. Statt der unmittelbar Betroffenen, so Landau, sollten also alle Bürger einer Gemeinde oder eines Bezirks in Wien über die Schulform entscheiden: Immerhin würden damit auch die Weichen für die nächsten Generationen gestellt.