Lichtblicke

Die "Café Sonntag"-Glosse von Severin Groebner

Zack - plötzlich ist er da!
Unangekündigt, wie ein Straßenräuber hat man auf einmal einen Lichtblick vor sich. Nur mit dem Unterschied, dass Straßenräuber einen ja selten positiv überraschen.

Mir ist jedenfalls kein Fall bekannt, wo plötzlich ein Straßenräuber vor einem steht und sagt: "Ich bin da Ferdinand Miroslav Schluckspecht, meine Freunde nennen mich Mo, mein Mauserl Ferdi, das ist meine kleinkalibrige Waffe, das ist mein großes Messer, das ist meine Tätowierung von den letzten Ferien hinter Gittern, ich bin völlig abgebrannt, auf Entzug, hab keine Zigaretten, meine Kinder haben nix zu essen, die Miete steht aus, hungrig bin ich auch und vorher hat einer grade Arschloch zu mir gesagt, nachdem sie mich beim Schwarzfahren erwischt haben . Also es war echt kein guter Tag, verstehst? Und jetzt stehst Du vor mir und jetzt hör mir genau zu, ich sag Dir eins: Das tut so gut, einmal mit jemandem in aller Ruhe darüber reden zu können. Danke für deine Aufmerksamkeit! Einen schönen Tag noch!"

Das kommt eigentlich so gut wie nie vor, aber wenn es passieren würde, wäre es freilich ein Lichtblick der Wegelagerei.

Daran merkt man auch, Lichtblicke sind immer selten. Und kurz.
Sie gehen meist so schnell vorüber wie ein Blinzeln.

Nicht verwechseln sollte man aber den Lichtblick mit dem Blitzlicht. Das ist zwar auch immer nur kurz. Im Unterschied zum Lichtblick bescheint das Blitzlicht aber zu 99 Prozent nur jene Menschen, die es geschafft haben, ihre extrem langweilige Durchschnittlichkeit durch aggressive Selbstverleugnung an den billigen Massengeschmack gewinnbringend anzupassen. Und das restliche eine Prozent der Blitzlichtbeschienenen sind Sportler. Von denen sollte man auch keine Lichtblicke erwarten. Denn so ein Sportler kann nur Sport.

Gut, man könnte den Sportler natürlich mitsamt seinem Hometrainer an ein Stromaggregat anschließen und ihn so zur Energiegewinnung in den Elendsvierteln dieser Welt einsetzen. Das kommt aber ungefähr ebenso selten vor wie der obengenannte Straßenräuber.

Auch natürlich vorkommende Blitze sind nur selten als Lichtblicke einzuordnen. Denn so ein Blitz ist ja eigentlich nur eine spontane Spannungsentladung (für Menschen, die den Naturwissenschaften trauen) oder göttliche Zeichen (für Menschen mit Hang zu irrationalen Erklärungen) oder der aktuelle Anlass am offenen Land einen Weg von der Eiche zur Buche einzuschlagen (für Freunde der ortsüblichen Bauernweisheiten).

So gesehen sind Blitze in der freien Natur nur dann Lichtblicke, wenn sie eine wenig geliebte Person beim Scheißen treffen.

So sehr man sich das aber auch wünschen mag...ich sag es lieber gleich: Auch das kommt nur sehr sehr selten vor.

Auch Scheinwerfer sind nur in seltensten Fällen Lichtblicke. Und schon gar nicht auf der Autobahn. Und erst recht nicht, wenn sie einem auf der Autobahn entgegen kommen.

Nein, Lichtblicke sind vielmehr wunderbare kleine Momente, die einen noch an die Vernunft, die Herzenswärme und Mitmenschlichkeit des Homo sapiens glauben lassen, die in einem das Licht der Hoffnung erglühen lassen und, so Gestalt, so etwas, wie - ja, ich schäme mich nicht, es zu sagen - das Abbild des Funken des Lebens selbst sind.

Das sind Lichtblicke.

Der Vollständigkeit halber sei aber noch bemerkt, dass, wenn ein Lichtblick auftritt, das nur bedeuten kann, dass rund um einen absolute Dunkelheit herrscht. Sonst sieht man den Lichtblick nämlich nicht.