Berlin: SPD will über große Koaltion abstimmen
Die deutschen Sozialdemokraten tun sich schwer damit, als kleiner Partner in eine große Koalition zu gehen. Deshalb holte sich gestern Abend die Parteispitze auf einem kleinen Parteitag in Berlin den Segen der Basis dafür, dass mit Sondierungsgesprächen begonnen werden kann. Über das Verhandlungsergebnis werden dann die 470.000 SPD-Mitglieder in einem Mitgliederentscheid entscheiden.
8. April 2017, 21:58
(c) Roessler, dpa
Morgenjournal, 28.9.2013
Aus Berlin berichtet ORF-Korrespondentin
Parteibasis soll entscheiden
Auf ihren Mitgliederversammlungen im ganzen Land haben die deutschen Sozialdemokraten nur ein Thema: große Koalition, ja oder nein. Das ist für viele die sprichwörtliche Wahl zwischen Pest oder Cholera. Parteichef Sigmar Gabriel hat sich für einen riskanten Kurs entschieden und legt sein politisches Schicksal in die Hände der Parteibasis. Schritt für Schritt.
Nach den Sondierungen muss wieder ein Parteikonvent entscheiden, ob es zu Koalitionsverhandlungen kommt, dann wird es richtig schwierig. Gabriel: "Wenn Frau Merkel dies will und wenn die SPD das auch für erfolgversprechend hält, dann werden wir Koalitionsverhandlungen durchführen, an deren Ende allerdings ein bindendes Mitgliedervotum der SPD gehört."
Steinbrück nicht mehr in der ersten Reihe
Auf dem Weg dorthin wird ihn einer nur mehr halbherzig begleiten: Peer Steinbrück. Der Kandidat, der nicht Kanzler wird, will zwar dem Verhandlungsteam noch angehören, ansonsten aber seine politische Karriere in der ersten Reihe beenden. In aktuellen Umfragen begrüßt eine Mehrheit der Deutschen eine große Koalition. Eine Mehrheit der SPD-Mitglieder lehnt sie ab.
Ihr Parteichef Gabriel richtet sich vor allem an sie, wenn er sagt: "Unsere Leitlinie ist nicht Regierungsbeteiligung und übrigens auch nicht Angst davor zu haben. Wir gehen selbstbewusst in die Gespräche – unsere Leitlinien sind die Inhalte sozialdemokratischer Politik."
Merkel will lieber mit SPD als Grünen
Für diese Inhalte, zu denen Steuererhöhungen und ein flächendeckender Mindestlohn zählen, bekam die SPD 25 Prozent der Stimmen und trifft auf eine Kanzlerin, die nur knapp die absolute Mehrheit verpasste. Angela Merkel wird Kompromisse machen, aber sicher nicht das Wahlprogramm der SPD zum Koalitionsvertrag. Ihre Alternative sind die Grünen, die allerdings nach ihrem enttäuschenden Wahlergebnis noch sehr mit sich selbst beschäftigt sind.
Die Sozialdemokraten würden sehr gerne die Grünen vor sich durch die Tür schieben. Die Grüne Parteispitze signalisierte auch, dass sie zu Sondierungsgesprächen bereit sei. Da gibt es aber noch keine Einladung der Kanzlerin. Sie will zuerst mit den Sozialdemokraten reden. Für diese Verhandlungen und für die Überzeugungsarbeit an der eigenen Basis wird Sigmar Gabriel aber mehr Kondition brauchen als bei seinem kurzen Auftritt am späten Abend, nach dem ersten und einfachsten Parteikonvent auf dem Weg zu einer großen Koalition.