Umstrittene Goldgrube "Big Data"

Die Menge an Daten, die staatliche Behörden, Unternehmen und Einzelpersonen horten, verdoppelt sich alle zwei Jahre. Diese mittlerweile unvorstellbaren Datenmengen analysieren und kombinieren zu können ist zur Wissenschaft geworden - und zur Goldgrube. Damit beschäftigt sich der gebürtige Salzburger Viktor Mayer-Schönberger in seinem Buch "Big Data".

Morgenjournal, 8.10.2013

Der Nutzen der großen Zahl

Dreimal rechts abbiegen statt einmal links spart 10 Millionen Dollar. Zu dieser Erkenntnis gelangte ein US- Paketzusteller, nachdem eine spezielle Software Riesendatensätze verknüpfte und analysierte. In diesem Fall waren das Unfallstatistiken, Benzinverbrauch und Streckenaufzeichnungen. Seitdem die Fahrer des Unternehmens drei Mal rechts statt einmal links abbiegen, sind sie seltener in Verkehrsunfälle verwickelt - das ist ein einfaches Beispiel für den Nutzen von Big Data, sagt der Netzforscher und Jurist Viktor Mayer-Schönberger vom Internet Institute der renommierten Oxford-University in England. "Eine andere Variante ist, dass Yahoo, Microsoft, Universität Stanford gerade ein Forschungsergebnis berichtet haben, dass sie in der Lage waren, eine Nebenwirkung von zwei Medikamenten zu erkennen, nur aufgrund dessen, was die Menschen im Internet gesucht haben."

Missbrauch durch Spionage

Big Data, das sind aber auch jene Unmengen an personenbezogenen Daten, die der US-Geheimdienst NSA und sein britisches Pendant GCHQ anhäufen. Mayer Schönberger: "In 30 Bundesstaaten der USA wird heute bereits eine Big Data Analyse verwendet, um darüber zu entscheiden, ob jemand auf Bewährung freikommt oder nicht. Und das ist die zentrale Botschaft der NSA und der Snowden-Enthüllung, das ist die zentrale Botschaft von Big Data: Die Aufgabe der Spionagebehörden verändert sich vom Überwachen zum Vorhersagen, sodass die Spionagebehörden und die Strafverfolgungsbehörden und die Polizei zugreifen können, noch bevor die strafbare Handlung geschieht. Und das finde ich außergewöhnlich problematisch, ja geradezu gefährlich. Es ist der klassische Missbrauch von Big Data Analyse zu völlig falschen Zwecken.“

Kontrolle fehlt

Kontrolle fehlt
Das groß angelegte Sammeln von Daten brauche Regeln, Kontrolle. Dessen nähmen sich noch kaum Staaten an, so Viktor Mayer Schönberger. Was fehlt, seien unabhängige Kontrolleure, die Big-Data-Analysen überprüfen: "Tausende einzelne Datensignale werden hier durch komplexe statistische Algorithmen verbunden. Da braucht es Sachverständige, die hier in diese Blackbox des Algorithmus hineinsehen und überprüfen können, ob alles mit rechten Dingen zugeht. Und genau diese Algorithmiker, so nennen wir sie, brauchen wir dringend."

Das "digitale Defizit" der Politik verdeutlichen übrigens die Programme der österreichischen Parteien, die bald im Parlament sein werden. Mit Ausnahme von jenem der NEOS findet sich in diesen nicht einmal der Begriff "Internet".

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