Koalition: Stillschweigen über Verhandlungen

Die Verhandlungen zu einer möglichen Neuauflage der Großen Koalition laufen unter strengster Geheimhaltung. Dieses Stillschweigen sei Teil eines vertrauenswürdigen Verhandelns, sagt der Wirtschaftspsychologe Erich Kirchler. Denn Vertrauen und Ehrlichkeit seien wichtige Elemente eines Verhandlungsprozesses

Mittagsjournal, 4.11.2013

"Beide müssen nachgeben können"

Wenn es SPÖ und ÖVP ernst nehmen, sollte es nicht ums Taktieren oder über den Tisch ziehen gehen. Für erfolgreiche Verhandlungen mit dem Ziel einer längerdauernden Zusammenarbeit müssen beide nachgeben können und wollen, sagt der Wirtschaftspsychologe Erich Kirchler. "Wenn zwei miteinander wollen, dann werden sie eine bestimmte Flexibilität haben müssen."

Erich Kirchler unterscheidet zwischen sachlichen und ideologischen Problemen. "Bei Themen, die man als Sachkonflikte bezeichnet, ist es wesentlich, dass Sachargumente auf den Tisch kommen." Klare Positionen und Ehrlichkeit brauche es aber auch bei Wert-Konflikten, bei denen es um ideologische Bruchlinien gehe. Es sei wichtig, klar zu sagen, wo man aus ideologischen Gründen bestimmte Veränderungen haben möchte oder nicht akzeptieren kann.

"Stillschweigen bei delikaten Verhandlungen gut"

Die Parteien müssten versuchen, für beide Seiten annehmbare Kompromisse zu erzielen, noch besser wären integrative Lösungen. Nicht jeder lässt ein bisschen nach, sondern man sucht ein ganz anderes neues Modell. Erich Kirchler sagt, aus verhandlungs-psychologischer Sicht sei es gut, dass SPÖ und ÖVP Stillschweigen vereinbart haben. Verhandlungen seien eine delikate Sache. "Es ist gut, wenn die Verhandlungsparteien in einem geschützten Raum miteiandern reden können und nicht ständig jede Idee von dritter Seite kommentiert wird."

Der Wirtschaftspsychologe nimmt auch den beiden Parteien ab, dass sie einen neuen Stil des gemeinsam Regierens praktizieren wollen. Die Politiker hätten erkannt, dass das Volk zuschaut, dass die Leute Lösungen haben wollen, die keine Kompromisse seien. "Sich nur drüber hinweg schwindeln bis zu den nächsten Wahlen, wird nicht funktionieren".