Nulldefizit: Oft versucht, äußerst selten erreicht

Ein Jahr nach dem anderen macht der Staat Österreich neue Schulden. Ab dem Jahr 2016 sollte es damit vorbei sein, da hat die Regierung ein Nulldefizit geplant. Ob das Ziel erreicht werden kann, ist laut neuen Prognosen der EU-Kommission aber unsicher: Die Ausgaben sind zu hoch, die Einnahmen zu niedrig, am Ende könnte wieder ein Minus herausschauen. Verwunderlich wäre das nicht, denn bisher ist noch fast jeder Plan für ein Nulldefizit zu Grabe getragen worden.

Mittagsjournal, 9.11.2013

Regierungen wie Raucher

Der "Friedhof der Nulldefizite" ist groß. In den vergangenen elf Jahren hätte es laut den Budgetzielen der jeweiligen Bundesregierungen sechs Mal ein Nulldefizit geben sollen. Wirklich gegeben hat es kein einziges. Warum sich die Regierungen so schwer damit tun, ein Nulldefizit auf die Beine zu stellen, erklärt Wirtschaftsforscher Hans Pitlik vom WIFO: "Das könnte man ein bisschen mit einer Art Suchtverhalten vergleichen wie beim Raucher. Der weiß, dass Rauchen schädlich ist – in diesem Fall sind es die Defizite -, aber der beste Termin um aufzuhören, scheint immer in der Zukunft zu liegen."

Dabei sei der Staat durchaus bereit zu einer "Entwöhnung" vom Schuldenmachen, sagt Hans Pitlik. Mit Stabilitätspakten und Finanzrahmen versucht die öffentliche Hand sich selbst zu beschränken. Doch je besser der Staatshaushalt dasteht, desto mehr steige der Druck, die Zügel wieder locker zu lassen. Ab dem Moment, in dem ein Staatshaushalt Überschüsse erziele, würden die politischen Begehrlichkeiten gegenüber dem Finanzministerium noch stärker, erklärt der Wirtschaftsforscher.

Bevölkerung für nachhaltige Budgetpolitik gewinnen

Dass der Staat nicht von seiner "Sucht" nach neuen Schulden loskommt, liege auch an den Wählern, sagt Hans Pitlik. Sie führten die Politiker immer wieder in Versuchung, mehr auszugeben als sie einnehmen: "Ganz kurzfristig scheinen es die Wähler zu goutieren, wenn sie mit irgendwelchen Wahlgeschenken beschenkt werden. Deswegen ist dieser kurzfristige Anreiz vom eigentlichen Defizitziel abzuweichen relativ groß."

Neben den Regelwerken fürs Budget sollten sich die regierenden Politiker deshalb auch darauf konzentrieren, die Bevölkerung für eine nachhaltige Budgetpolitik zu gewinnen, rät der Wirtschaftsforscher. Sie müssten ein Bewusstsein dafür schaffen, dass es auf Dauer mit einer solchen Schuldenpolitik nicht weitergehen könne. Bei einer Kombination von beidem, Budgetregeln und Budgetbewusstsein bei der Bevölkerung, sieht Pitlik realistische Chancen für ein Nulldefizit, vielleicht sogar einen Überschuss.

Mehr Schulden - mehr Steuern für die Bürger

Geht der Trend zum Schuldenmachen in Zukunft weiter, werden die Bürger auch immer mehr Steuern zahlen müssen um die Zinsen zu bezahlen, warnt Hans Pitlik: "Das liegt einfach daran, dass man nur mit Budgetüberschüssen Schulden abbauen kann, und sich damit für die Zukunft wieder finanz- und wirtschaftspolitisch Handlungsspielräume eröffnet."

In Österreich sind Nulldefizite oder gar Budgetüberschüsse bisher extrem selten erreicht worden. In den vergangenen vierzig Jahren haben nur zwei Regierungen Budgets ohne neue Schulden vorgelegt: die rote Alleinregierung von Kanzler Bruno Kreisky mit Finanzminister Hannes Androsch bis Mitte der Siebzigerjahre und die schwarz-blaue Regierung von Kanzler Wolfgang Schüssel mit Finanzminister Karlheinz Grasser im Jahr 2001.