WIFO-Chef rechnet mit Steuerreform 2017
Die Regierung schenkt weiterhin keinen reinen Wein ein, wie groß das Loch im Budget nun wirklich ist. Nur ein Verhandler sprach gestern Klartext, dreißig bis vierzig Milliarden Euro würden in den kommenden fünf Jahren fehlen. Karl Aiginger, Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts, bestätigt diesen Bedarf. Aiginger ist einer von vier von der Regierung zugezogenen Experten, die die Staatsfinanzen überprüfen sollen.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 9.11.2013
Karl Aiginger, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts, ist heute "Im Journal zu Gast" bei
Steuerfehleinnahmen größter Brocken
Die sechs bis acht Milliarden Euro, die laut dem Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) in der neuen Regierungsperiode jährlich fehlen werden, nennt Karl Aiginger, Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), einen "richtigen Ansatz für das Defizit", das Finanzministerium sei mit den Berechnungen aber noch nicht fertig. Das Budgetloch könnte auch noch wachsen, prognostiziert Aiginger, besonders wenn die Regierung von der Bevölkerung gewünschte sogenannte Zukunftsinvestitionen tätigt, also mehr Geld für Bildung, Kinderbetreuung und Umwelt ausgibt, und wenn es in der zweiten Hälfte er Legislaturperiode eine Steuerentlastungsreform gibt.
Maßgeblich für das Budgetloch seien Aiginger zufolge "Steuerfehleinnahmen", das heißt, die Steuern sind niedriger ausgefallen als sie zunächst geplant waren. Die Steuerfehleinnahmen würden etwa die Hälfte des Defizits ausmachen und sind damit der größte Brocken. Einen nicht ganz so großen Betrag machen die Pensionen mit annähernd zehn Milliarden Euro über die kommenden fünf Jahre aus. Nicht zum strukturellen Defizit, sondern zum "vielleichten relevanteren" Maastricht-Defizit-Ziel zähle die Bankenhilfe, erklärt der WIFO-Chef: "Hier sind ungefähr sechs Milliarden Euro zusätzlich zu den bisherigen Vermutungen dazu gekommen."
"Reformpaket" nötig
Kritik, dass die Wirtschaftsforschungsinstitute nicht lauter aufgeschrien haben, als die Regierung vor der Nationalratswahl ihre Budgetzahlen präsentiere, weil sie von öffentlichen Geldern abhängig seien, weist Aiginger zurück. "Auch uns war das Ausmaß nicht bekannt. Die Regierung hat uns auch immer wieder mitgeteilt, die Probleme der Hypo Alpe Adria seien nicht so groß, es sind zusätzliche Einnahmen hier und dort und alle zusätzlichen Ausgaben seien gedeckt. Wir sind bei der Budgetprognose teilweise auf die Informationen des Ministeriums angewiesen." Sein Institut habe nichts verschwiegen, sagt der WIFO-Chef.
Mit dem Blick in die Zukunft gerichtet will Aiginger nicht von einem Sparpaket sprechen, sondern von einem "Reformpaket". Die sechs bis acht Milliarden Euro, die ausgabenseitig jährlich eingespart werden müssen, entsprächen ungefähr fünf Prozent der gesamten Staatsausgaben: "Das ist keine unmögliche Dimension."
"Kürzung von 5 Prozent realistisch"
Aiginger sieht für das Sparen drei Möglichkeiten: Zum einen könnten die fünf Prozent über alle Bereiche gleichmäßig verteilt werden, "das ist vielleicht die leichteste Möglichkeit, aber nicht die beste". Die zweite Option sei, bei den ganz großen Ausgabenpositionen zu sparen, etwa im Verwaltungsbereich, bei der Wirtschaftsförderung, im Gesundheitsbereich oder bei den Pensionen. Zu guter Letzt könnte die Regierung vergangene Vorschläge wieder aufzunehmen, sagt Aiginger.
Eine fünfprozentige Kürzung hält er für durchaus realistisch, selbst beim schwierigen Thema Pensionen: "Wenn es gelingt, das Pensionsantrittsalter um ein halbes Jahr bis Jahr zu verschieben, hat man diesen Betrag auch herinnen." Dazu müssten finanzielle Anreize geschaffen werden, sagt Aiginger.
Faktor Arbeit könnte entlastet werden
Für den WIFO-Chef scheint auch eine Steuerreform noch in dieser Legislaturperiode möglich: "Wir glauben, dass in den kommenden zwei bis drei Jahren keine Netto-Steuerreform möglich ist, also keine Netto-Entlastung, aber es ist möglich, den Faktor Arbeit zu entlasten, zum Beispiel durch Freibeträge, die die Sozialversicherungsbeiträge reduzieren, oder durch eine Senkung des Einkommenssteuersatzes." Dieser Betrag müsste laut Aiginger allerdings durch Erhöhungen bei anderen Steuern gegenfinanziert werden, etwa über die Tabak- oder Grundsteuer. Die Netto-Entlastung würde für 2017/2018 angestrebt, so Aiginger. Dann sollte die Wirtschaftslage nämlich schon besser sein.
Sollten sich SPÖ und ÖVP in ihren Koalitionsverhandlungen nicht auf die notwendigen Sparmaßnahmen einigen können und noch weitere Schulden aufnehmen, wäre das eine "Sackgasse". Dieser Weg würde Aiginger zufolge dazu führen, dass Österreich jedes Jahr an Konkurrenzfähigkeit verliert und die Zukunft verschläft.