Italien: Homepage für "Mafiöse Umtriebe"

In Italien erregt seit ein paar Wochen die Internetseite "Mafialeaks.org" Aufmerksamkeit. Die Macher laden dazu ein, den Schweigekodex der Mafia, die "Omertà", zu durchbrechen und die Plattform für anonyme Informationen und Anzeigen zu nützen. Ein technologisches Verschlüsselungssystem wahre absolute Anonymität, garantieren die Macher. Auch sie selbst bleiben völlig unerkannt. Experten sind skeptisch.

Morgenjournal, 12.11.2013

"Sag es!"

Italien - Europas drittgrößte Volkswirtschaft - hat viele Probleme. Politische Instabilität und Rezession, um die aktuellsten zu nennen. Der größte und gefährlichste Feind des Landes ist aber das organisierte Verbrechen, die Mafien, ob Cosa Nostra in Sizilien, die N'drangeta in Kalabrien oder die Camorra in Kampanien.

"Wenn Du etwas weißt, sag es!" Das ist der Leitsatz der Internetseite "mafialeaks.org". Angesprochen sind Opfer oder Zeugen mafiöser Machenschaften, aber auch Mitglieder in der Unterwelt. Die Seite will eine Brücke sein zu Justizbehörden oder Medien, an die sich Informanten aus Angst nicht wenden wollen. Das Internetsystem TOR bietet den nötigen Schutz, versprechen die Betreiber, indem es jede Spur des Absenders komplett verwischt.

Richter: Transparenz statt Anonymität

Giancarlo de Cataldo, einer der profundesten Kenner der Mafia, selbst Richter und gefeierter Autor zahlreicher Mafia-Krimis, warnt: "Man tritt mit diesem TOR in eine Welt ein, die absolut dunkel bleibt. Man erklärt, man wolle so die Anonymität aller Seiten wahren. Aber für Anzeigen haben wir in Italien Polizei und Staatsanwaltschaft, das sollte funktionieren."

Natürlich fühlen sich viele nicht sicher, und nicht immer hat der Schutz ausgereicht, er versteht das, sagt Richter De Cataldo. Aber Anonymität führe nicht zum Ziel: "Wenn ich eine anonyme Anzeige erhalte, kann ich keinen Prozess einleiten. Das müssen die Leute wissen! Das Gesetz verbietet Anonymität, sonst wären wir ein Polizeistaat. Der einzige Weg ist Transparenz. Die Mafia kann man nur mit Transparenz bekämpfen."

Darum könne er nur raten, den gesetzlichen Weg zu gehen: "Anzeige erstatten bei Carabinieri oder Staatsanwalt. Viele machen das ja auch! Kaufleute tun sich zusammen und zeigen Schutzgelderpressung an. Wichtig ist auch, nicht allein zu sein. ... Mich als Funktionär des Staates dürfen sie nicht fragen, ob der Staat zu wenig schützt! Er schützt! Aber es ist besser, sich in der Gruppe zu bewegen, das macht stärker."

Mafia erobert den Norden

Die Zivilgesellschaft bewegt etwas. Sizilien beweist das - mit vielen Vereinen und Organisationen gegen die Mafia. In Sizilien ist die Präsenz der Mafia spürbar schwächer geworden. In Neapel und Kalabrien ist sie dagegen noch sehr sichtbar. Die wahre Gefahr, so de Cataldo, sei heute aber die Ausdehnung der Mafia in die reichen Regionen des Nordens. Allein in den vergangenen Wochen sind in der Lombardei zwei Gemeinderäte wegen Mafia-Unterwanderung unter kommissarische Aufsicht gestellt worden.

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mafialeaks.org