Die "Café Sonntag"-Glosse von Franz Schuh

Zwischen Cordoba und Jedermann

In meinem Leben spielen einige Schauspieler eine große Rolle: Marcello Mastroianni zum Beispiel; er hat mein Bild von Männlichkeit modelliert: Mannsein heißt schwach, aber schön sein.

Und Theaterschauspieler: Ja, weil die jüngste Büchnerpreis-Trägerin in ihrer Büchnerpreis-Rede gesagt hat, Büchners Stücke wären nicht so ganz ihre Sache, fällt mir sofort eines der am meisten aufregenden Theatererlebnisse meines Lebens ein: "Dantons Tod" im Wiener Volkstheater, 1960, und Kurt Sowinetz spielte den Robespierre. Sowinetz hatte eine leise, leicht singende Stimme und er verband - seiner Rolle gemäß - höchste Grausamkeit mit höchster sogenannter Anständigkeit. Ich habe für mein Leben mitgekriegt, was Tugendterror ist.

Und Mastroiannis Figuren: größte Leidenschaft und höchste Unverbindlichkeit in einem Menschen, besser: in einer Figur. Der eine, der Italiener, ist weltberühmt, der andere, Kurt Sowinetz, ist auch berühmt - weltberühmt in Österreich.

Ich weiß nicht einmal, ob es eine Frage ist, aber ich stelle sie trotzdem - die Frage, ob es nicht besser wäre, wären Schauspieler nicht berühmt, sondern bestenfalls für ihr Rollenspiel bekannt. Die Privatperson, die am Bühnentürl Autogramme gibt (oder die über den roten Teppich stapft), sie ist weit weg vom Kern ihrer Aufgabe, die da heißt: Richard III. oder Salome Pockerl. Die Personalisierung, also das Aufladen einer Privatperson mit der Energie von Kunstfiguren, diesen Mix, mit dem Schauspieler und Schauspielerinnen öffentlichen Glamour zugesprochen bekommen, halb Hamlet, halb Staatsbürger wie du und ich. Im künstlichen Licht der Bühne würden die im Dunkel der Gesellschaft gehaltenen, die persönlich unbekannten Schauspieler frisch und neu in ihren Rollen erscheinen.

Das spüln's aber net. Es gibt den Wunsch, ausgerechnet Menschen, die im Scheingewerbe glänzen, deren Beruf auch an Kostümen und Kulissen hängt, zu vergöttern. - Es ist auch mein Wunsch: Vor Fanny Ardent falle ich auf die Knie, und so lange solche seltsamen Liebesbeziehungen zu den Publikumsmagneten bestehen, solange muss man hinnehmen, dass es heißt: Heute Abend spielt der aus den Seitenblicken bekannte XY den Hamlet.