Chinesische Zensur ausgetrickst

In China haben Internetaktivisten möglicherweise zu einem bedeutenden Schlag gegen die staatliche Zensur ausgeholt. Mit einem Trick ist es gelungen, von der Zensur gesperrte Websites westlicher Medien zu spiegeln und auf alternativen Servern zugänglich zu machen. Die chinesische Regierung hat die Websites einer Reihe westlicher Medien gesperrt und jüngst ausländische Journalisten wieder stärker unter Druck gesetzt.

Mittagsjournal, 23.11.2013

Loch in "Großer Feuermauer"

Die Vermögensverhältnisse der Familie des früheren Premierministers Wen Jiabao, genauer gesagt deren Offenlegung durch die New York Times, hat die Zensoren wütend gemacht. Seit einem Jahr ist die Website der Zeitung in China deshalb blockiert. Nachdem die Times jüngst über die Geschäftsbeziehungen der Tochter des ehemaligen Premierministers mit der amerikanischen Investmentbank JP Morgan berichtet hatte, wurde auch die chinesische Seite der Nachrichtenagentur Reuters von den Zensoren gesperrt. Reuters hatte über die New York Times Recherche berichtet. Mittlerweile ist die Seite in China wieder zugänglich, und zwar durch einen Trick einer Aktivistengruppe im Internet.

Die Computerspezialisten haben die Seite von Reuters gespiegelt, d.h. eine ein zu eins Kopie erschaffen und diese auf Servern von Amazon in China abgelegt. Einer der Aktivisten nennt sich "Charlie Smith" - ein Codename. Wir müssen seine Stimme im Interview aus Sicherheitsgründen verzerren: "Das Schöne an unserem Experiment, die große Firewall auszutricksen, ist, dass die Behörden unsere gespiegelten Websites nicht abschießen können, ohne dass sie das gesamte Amazon-Netzwerk lahmlegen. Wir zwingen China zu einer schwierigen Entscheidung: entweder lassen sie zu, dass die gesperrten Websites auf einmal sichtbar sind. Oder sie blockieren sie und damit auch viele andere Seiten, auf denen ganz normale Geschäfte abgewickelt werden. Die wirtschaftlichen Kosten einer solchen Maßnahmen wären gewaltig.“

Zensur wird Geschäftshindernis

Das gesamte Amazon-Network lahmzulegen, das erscheint derzeit unrealistisch, laufen über die Server von Amazon in China doch gewaltige Mengen an Online-Geschäften. Viele Dienstleistungen großer Firmen und auch von Banken werden über die Server abgewickelt. Das alles zeigt die Grenzen chinesischer Zensur auf. Totale Kontrolle ist nur für einen hohen Preis möglich. So hatte erst jüngst Google Chef Eric Schmidt ein Ende der Internetzensur innerhalb der nächsten 10 Jahre prophezeit. Auch weil gesperrte Websites und ein lähmend langsames Internet den wirtschaftlichen Erfolg eines Landes torpedieren können.

Derzeit gibt es allerdings keine Anzeichen, dass Chinas Führer die Zensur lockern könnten. Journalisten westlicher Medienhäuser in China klagen nicht nur über den steigenden Druck der Behörden, sondern über eine zunehmende Zahl an Beispielen von Selbstzensur. So hätten Manager der Nachrichtenagentur Bloomberg jüngst zwei politisch brisante Recherchen ihrer Mitarbeiter in China abgedreht, um das Geschäft des Konzerns nicht zu gefährden. Das berichtet die New York Times. Ein Sprecher von Bloomberg hat diese Vorwürfe mittlerweile zurückgewiesen.

China hat ein sehr ausgeklügeltes Zensurregime errichtet. Das steht fest. Klar ist aber auch, dass die wirtschaftlichen Kosten für die Totalkontrolle im Internet immer höher werden. Ein Preis, den auch ein wirtschaftlich mächtiges Land wie China auf Dauer vielleicht nicht mehr bezahlen kann.

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