Deutsche Koalition: Verhandler einig

Die Neuauflage der Großen Koalition in Deutschland ist ein großes Stück näher gerückt: Nach einer Marathonsitzung bis in den frühen Morgen verständigten sich die Spitzen von Union und SPD auf einen Koalitionsvertrag. Auch die sogenannte große Runde hat zugestimmt - nun müsste nur noch die SPD-Basis positiv abstimmen.

Morgenjournal, 27.11.2013

Sigmar Gabriel und Angela Merkel

(c) dpa

Mindestlohn, Pensionspaket

"Knoten durch! Einigung erreicht", twitterte der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer. Bei der Neuauflage einer schwarz-roten Regierung unter Kanzlerin Merkel sollen unter anderem ein flächendeckender Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde eingeführt, die Pensionsleistungen verbessert und die doppelte Staatsbürgerschaft erleichtert werden. Auf Steuererhöhungen für neue Projekte will Schwarz-Rot verzichten. Ab 2015 will man keine neuen Schulden machen. Vereinbart wurde ein Finanzrahmen für zusätzliche Ausgaben und Investitionen bis 2017. Danach sollen für die Projekte einer Großen Koalition zusätzlich 23 Milliarden Euro ausgegeben werden.

Nach der Einigung in kleinem Kreis war der Vertragsentwurf noch in der Früh gegen 5.30 Uhr von der großen Runde aus mehr als 70 Unterhändlern bestätigt worden. Über den Vertrag muss nun allerdings noch die SPD-Basis ihr Votum abgeben. Bei einem Ja würden CDU, CSU und SPD Deutschland zum dritten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik gemeinsam regieren. Geplant ist die Regierungsbildung in der Woche vor Weihnachten.

Union und SPD wollen die Aufteilung der Ministerien und ihre Besetzung vorerst offen lassen. Dies solle erst nach dem Votum der SPD-Mitglieder am 14. Dezember geregelt werden, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Mittwoch aus Verhandlungskreisen. Fest steht aber, dass die SPD in einem schwarz-roten Kabinett unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sechs Ministerien bekommen soll, die CDU fünf (plus Kanzleramtsminister) und die CSU drei. SPD und Union waren bereits zwischen 2005 und 2009 unter Merkel gemeinsam an der Regierung. Zuvor gab es zwischen 1966 und 1969 schon einmal eine Große Koalition.

Alle großen Streitpunkte gelöst

Wenn die insgesamt 475.000 SPD-Mitglieder grünes Licht geben, könnte Merkel am 17. Dezember im Bundestag zum dritten Mal zur Kanzlerin gewählt werden. Das neue schwarz-rote Kabinett würde dann noch am selben Tag die Arbeit aufnehmen.

Beide Seiten lösten in der Schlussrunde alle großen Streitpunkte: bei der doppelten Staatsbürgerschaft, beim Mindestlohn, der Rente und der Maut. Die Verständigungen zu Mindestlohn, Pensionen und zur doppelten Staatsbürgerschaft könnten die kritische SPD-Basis beruhigen. Der erzielte Pensionskompromiss sieht vor, dass die von der SPD geforderte abschlagfreie Rente mit 63 Jahren nach 45 Beitragsjahren und die von der Union versprochene Besserstellung älterer Mütter, die vor 1992 Kinder bekommen haben, zum 1. Jänner 2014 eingeführt werden. Ferner soll eine "solidarische Lebensleistungsrente" für Geringverdiener von bis zu 850 Euro pro Monat ab 2017 kommen.

Auch im Streit um die doppelte Staatsbürgerschaft erzielten beide Seiten eine Verständigung. Danach müssen sich in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern künftig nicht mehr bis zum 23. Geburtstag für einen der beiden Pässe entscheiden. Einen Kompromiss gab es auch bei der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung.

Die Maut-Einigung wurde unterschiedlich gewertet. Während die CSU von einem Erfolg für sich ausging, wurde in Kreisen von CDU und SPD die Formulierung für den Koalitionsvertrag lediglich als Prüfauftrag gewertet. Bedingung soll sein, dass die Maut nur ausländische Autofahrer belastet und mit dem Europarecht vereinbar ist. Dazu soll 2014 ein Gesetz verabschiedet werden. Merkel hatte vor der Wahl erklärt, mit ihr werde es keine Pkw-Maut geben.

In der wichtigen Frage des Ausbauziels für erneuerbare Energien soll ein Ökostromanteil von 55 bis 60 Prozent bis zum Jahr 2030 angestrebt werden. Zuvor hatte die Union auf 50 bis 55 Prozent plädiert, die SPD hatte 75 Prozent als Ziel genannt. An der Zahl orientieren sich letztlich auch die Investitionsentscheidungen für neue Windparks, aber auch für neue konventionelle Kraftwerke. (Text: APA, Red.)