Kinderhandel: Blinder Fleck in Österreich?

Österreich tue zu wenig gegen Kinderhandel und Kinderprostitution, kritisiert die Organisation EPCAT. In den letzten drei Jahren seien nicht mehr als elf Opfer in Österreich befreit worden. Ein Grund dafür sei, dass in Österreich Schutzwohnungen für Opfer des Kinderhandels fehlten.

Mittagsjournal, 28.11.2013

"Aufholbedarf" in Österreich

Sie werden zum Betteln, Stehlen und Einbrechen gezwungen und durch Prostitution sexuell ausgebeutet. Kinder und Jugendliche, die etwa aus Rumänien und Bulgarien, aus arabischen oder asiatischen Staaten stammen. Oft sind sie tatsächlich gehandelt und verkauft worden, manchmal von ihren Eltern und dann von Menschenhändlern - auch nach Österreich, sagt Astrid Winkler, Geschäftsführerin des Anti-Kinderhandels-Vereins Ecpat. Doch laut einer EU-Studie sind in Österreich zwischen 2008 und 2010 nur elf Kinder als Menschenhandelsopfer identifiziert worden. Winkler glaubt diese Zahl nicht. Österreich sei reich und attraktiv für Menschenhändler. Aber man finde eben nur, was man sucht, sagt Winkler. Das führe dazu, dass die 200 innerhalb von drei Jahren befreiten Menschenhandelsopfer in Österreich fast ausschließlich Frauen waren, und nur fünf Prozent Kinder und Jugendliche, EU-weit hingegen beträgt der Anteil 15 Prozent. Österreich habe Aufholbedarf. Denn die Differenz liege einfach daran, dass die österreichischen Behörden nicht genug Opfer finde und identifiziere.

Angst vorm "Onkel"

Es fehle an Sensibilisierung und Schulungen bei Polizei, Jugendwohlfahrt, Fremdenbehörden und Asylbehörden., so Winkler. Dass die Jugendwohlfahrt Ländersache ist und es keine einheitlichen Strategien gebe, sei auch ein Problem. Ein Antrag der Grünen auf eine koordinierte Vorgangsweise wurde Anfang des Jahres zurückgestellt. Vor allem aber gebe es - anders als für Opfer des Frauenhandels - keine sicheren Kinder-Schutzwohnungen, deren Ort geheim sei, sagt Astrid Winkler. Drei bis fünf Plätze pro Bundesland seien nötig, damit sich die Kinder von Ausbeutung und Gewalt erholen könnten und in weiterer Folge auch gegenüber den Behörden sinnvolle Aussagen zu machen: "Denn sie solange sie Angst haben müssen, dass übermorgen der 'Onkel' vor der Tür steht, werden die überhaupt nichts sagen." Und ohne Aussagen könne die Polizei keine Fälle klären.

In Wien gibt es zwar die "Drehscheibe" - eine Schutzeinrichtung, deren Ort aber nicht geheim ist. Außerdem würden die meisten Kinder in ihre Heimatländer zurück geschickt, statt manchen eine Perspektive in Österreich zu bieten, kritisiert Helga Konrad, frühere Frauenministerin und OSZE-Beauftragte gegen Menschenhandel.

Übrigens: In Berlin hat die Polizei eine Kinderhandel-Spezialeinheit gegründet. Laut Ecpat hat sich die Zahl der identifizierten Opfer daraufhin verdreifacht.

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