Machtkampf in der Ukraine geht weiter

In der Ukraine geht die Machtprobe zwischen den pro-europäischen Regierungsgegnern und Präsident Viktor Janukowitsch weiter. Die Opposition um Boxweltmeister Witali Klitschko will heute mehrere Regierungsgebäude in Kiew belagern. 5.000 Menschen haben die ganze Nacht auf dem Unabhängigkeitsplatz ausgeharrt und dort auch Barrikaden errichtet hatten.

Vitali Klitschko mit Megafon

(c) APA/EPA/FILIP SINGER

Morgenjournal, 2.12.2013

Zeltstadt der Opposition

Bei leichtem Regen und vier Grad wärmten sich viele Gegner von Präsident Viktor Janukowitsch an kleineren Feuern. Klitschko rief die Menge auf, den Unabhängigkeitsplatz (Majdan) nicht zu räumen. Regierungsgegner haben dort eine Zeltstadt errichtet - wie bei der prowestlichen Orangen Revolution 2004, damals mit der derzeit inhaftierten Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko als Gallionsfigur.

Ein Sprecher der Opposition um Boxweltmeister Vitali Klitschko kündigte eine Blockade von Verwaltungsgebäuden ab dem Vormittag an, darunter jenes des ukrainischen Ministerrates. Der Chef der rechtspopulistischen Partei Swoboda (Freiheit), Oleg Tjagnibok, kündigte einen landesweiten Generalstreik an.

Massenproteste

Am Sonntag hatten in der ukrainischen Hauptstadt schätzungsweise bis zu 500.000 Menschen Janukowitschs Rücktritt sowie einen Westkurs ihres Landes gefordert. Am Rande der Kundgebung kam es zu schweren Zusammenstößen von Randalierern mit der Polizei. Sicherheitskräfte setzten am Sonntag massiv Tränengas und Blendgranaten ein. Dabei seien insgesamt mindestens 165 Menschen verletzt worden, darunter auch Journalisten, teilten die Behörden der Ex-Sowjetrepublik mit. Fast 50 Sicherheitskräfte und zahlreiche Protestierer mussten in Kliniken behandelt werden. Mindestens 22 Menschen wurden festgenommen.

Appelle von EU und NATO

Der für die Nachbarschaftspolitik zuständige EU-Kommissar Stefan Füle forderte einen sofortigen Dialog für eine friedliche Lösung. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen forderte von Regierung und regierungskritischen Demonstranten, auf Gewalt zu verzichten. "Gewalt und Macht sind in einer demokratischen Gesellschaft keine Wege zur Beendigung politischen Streits", heißt es in einer am Sonntagabend in Brüssel veröffentlichten Erklärung. Rasmussen betonte, es sei "das Recht des Volkes, überall seine Ansicht in demokratischer Weise auszudrücken".

Parlamentspräsident Wladimir Rybak bot den Fraktionen einen Runden Tisch an. Mitglieder sowohl der Regierung als auch der Opposition sollten den brutalen Polizeieinsatz in der Nacht auf Samstag aufklären.

Ukraine gespalten

Entzündet hatten sich die Demonstrationen daran, dass Präsident Janukowitsch auf dem EU-Gipfel zur Östlichen Partnerschaft die Unterschrift unter ein weitreichendes Abkommen mit der EU verweigert hatte. Zuvor hatte Russland dem Nachbarland mit massiven Handelssanktionen gedroht. Regierungschef Mikola Asarow verteidigte die Entscheidung. Die Ukraine hätte große wirtschaftliche Verluste zu befürchten gehabt, sagte Asarow in Fernsehinterviews.

Auch in zahlreichen anderen Städten gab es Proteste, meist im proeuropäisch geprägten Westen. Im russischsprachigen Süden und Osten der Ukraine hingegen beriefen mehrere Gebietsparlamente für Montag außerordentliche Sitzungen ein. Dabei wollten sie Janukowitsch ihre Unterstützung aussprechen. Die ehemalige Sowjetrepublik ist in der Frage einer EU-Annäherung tief gespalten. (Text: APA, Red.)